: Eheausbrüche und Naturgewalten
In „Ein Paar“ versucht sich Martin Prinz an der Darstellung fataler Sogwirkungen
VON MARGRET FETZER
Martin Prinz’ drittes Buch ist eine echte Tour de Force: „Ein Paar“ handelt von außerehelichen Affären, einschneidenden Karrieresprünge, Extremsport, einer Autofahrt und einem Bergunglück – und das alles auf nur 180 Seiten.
Doch die Kürze des Romans ist trügerisch, denn er liest sich alles andere als schnell. Jedes neue Kapitel reißt immer weitere Themen an, ohne sie vollends auszuführen, und stellt immer neue Fragen, ohne sie zu beantworten. „Ein Paar“ bleibt vieles schuldig – nicht zuletzt die Antwort auf die Frage, wer denn nun das Paar ist, um das es dem Titel nach gehen soll. Man mag darin eine Stärke, aber auch eine Schwäche des Buchs sehen, je nachdem, ob man glauben will, dass sich hinter den Andeutungen ein Mehr verbirgt.
„Ein Paar“ changiert zwischen den Bewusstseinswelten zweier Figuren. Da ist zum einen Susanne, erfolgreiche Journalistin und Chefin des Wellness-Ressorts einer Wiener Tageszeitung. Und da ist Georg, ebenfalls Mitte dreißig und Susannes Mann, ein Sportwissenschaftler. An keiner Stelle jedoch vereinen sich die Wahrnehmungen der beiden Partner zu einem gemeinsamen Bewusstsein, obwohl sich vor allem Georg genau das zu wünschen scheint, wenn er Susannes Rückkehr von einer Dienstreise erwartet, „indem er bei jedem Blick auf die Uhr die Zeit mit einer Annahme verband, wo sie womöglich gerade war“ – und er rühmt sich, „darin ziemlich präzise“ zu sein.
Dieses Mal aber irrt er sich: Offiziell war Susanne zwar auf Dienstreise in Hamburg. Eigentlich aber ist sie von Wien aus mit dem Auto in Richtung Süden gefahren – in ihre Vergangenheit. Durch die Fahrt wird diese Vergangenheit wieder ganz gegenwärtig, so gegenwärtig, dass der Leser nicht mehr so genau weiß, was vorbei ist und was gerade im Moment passiert.
Natürlich, wer hätte es gedacht, gab es in dieser Vergangenheit einen anderen Mann, Sebastian. Zwischen ihm und Susanne scheint – anders als zwischen Georg und Susanne – eine Art Seelenverwandtschaft bestanden zu haben: Zumindest zeugen ihre kurzen E-Mail-Dialoge, die jedem Kapitel epigrafartig vorangestellt sind, von sehr viel mehr Einigkeit und Nähe, als man sie zwischen den beiden Ehepartnern spürt. Umso überraschender und vielleicht auch ärgerlicher ist es, dass man am Ende so wenig über das Verhältnis zwischen Susanne und diesem Sebastian, über dieses „Paar“, erfährt.
Sebastian tritt nie selbst in Erscheinung – nur in der vermittelten Form von E-Mails und SMS. Ähnlich unwirklich und doch so lebendig sind noch zwei weitere Ereignisse, auf deren Spuren Susanne in diesen drei Tagen ebenfalls wandelt. Im Auftrag ihrer Zeitung war sie vor einigen Jahren geschickt worden, über ein Bergunglück im nahe gelegenen Lassing zu berichten.
Eine große Chance für Susanne: Ihr Foto des riesigen Kraters, den ein Erdrutsch verursacht hatte, landete auf der Titelseite des Blatts – und sie selbst katapultierte sich in eine Festanstellung zu besten Konditionen.
Die Unausweichlichkeit ihrer Beziehung zu Sebastian vermischt sich in Susannes Erinnerung zusehends mit der Extremerfahrung des absolvierten Langlauftrainings und der Naturkatastrophe in Lassing. Die fatale Sogwirkung des Kraters symbolisiert die Anziehungskraft zwischen Sebastian und Susanne, und beide Erfahrungen haben wiederum viel mit dem schlaflosen Zustand gemein, in dem sich Susanne nach dem Langlauftraining befindet. Susanne ist getrieben von einem Drang nach Unmittelbarkeit, einem Drang, sich selbst und ihre Umwelt zu spüren – und zwar gerade im Ausgeliefertsein, der Anziehungskraft Sebastians, dem Zustand völliger körperlicher Erschöpfung, der Unterwerfung unter die Naturgewalt. Auch Susanne ist eine Ausgelieferte. Der Ehebruch ist also sozusagen genauso eine Naturgewalt wie das Einbrechen des Kraters, beide Mächte zerstören das vom Menschen geschaffene Berg- beziehungsweise Beziehungswerk.
Martin Prinz’ Roman changiert zwischen der Vermitteltheit von erinnerten und veralteten Zeitungsberichten, E-Mails und Textnachrichten und der Unmittelbarkeit des Extremen, zwischen der Geborgenheit der ehelichen Monogamie und riskanten außerehelichen Affären, zwischen erholsamem Wellness-Spaß und einsamen Ausfahrten, von denen niemand weiß.
Prinz, der 1973 in Wien geboren wurde, ist kein Mann der klaren Aussage – das galt auch schon für den Vorgänger „Der Räuber“, dessen Protagonist Starek ebenfalls kein Freund des ziel- und lösungsorientierten Ermittelns war. „Ein Paar“ ist ein anstrengendes Buch, und leider manchmal auch etwas schwer und umständlich. Das stört vor allem deshalb, weil sich dieser Roman vor allem mit Bewusstseinszuständen auseinandersetzt, und gerade da wären kurze und prägnante Formulierungen besonders angebracht. Reizvoll ist aber Prinz’ Lokalkolorit, und immer wieder einmal finden sich durchaus sehr gelungene Formulierungen. So empfindet Susanne mit Sebastian ein Gefühl, „das so tat, als hätte selbst in den flüchtigsten Augenblicken alles Platz“.
Martin Prinz versucht seinerseits ebenfalls, auf wenigen Seiten für vieles Platz zu haben. Ob es ihm gelingt, mag der Leser selbst beurteilen.
Martin Prinz: „Ein Paar“. Jung und Jung Verlag, Salzburg 2007, 180 Seiten, 18 Euro