piwik no script img

Archiv-Artikel

„Momente betretener Stille“

THEATER Das Stück „Frau Müller muss weg“ ist längst nicht nur für Ellenbogen-Eltern von Interesse

Von GRÄ
Kerstin Hilbig

■ 53, spielt die Lehrerin in der Inszenierung von „Frau Müller muss weg“ im Theater Kontraste. Foto: Thomas Rinck

taz: Sind Sie als eine von hysterischen Eltern verfolgte Lehrerin die Gute im Stück, Frau Hilbig?

Kerstin Hilbig: Vordergründig vielleicht, weil ich von dem Anliegen der Eltern so überfallen werde. Wir haben die Rolle aber so angelegt, dass sie jetzt nicht per se nur gut ist, sondern auch ein bisschen selbstherrlich.

Das Stück ist ein großer Erfolg – kommen lauter Eltern, die sich da dann karikiert sehen?

Die Eltern wollen sich sicher nicht in dem Unschmeichelhaften wiedererkennen. Die Menschen, die Elternabende mitgemacht haben, beziehen das wohl eher auf die anderen, die sie da getroffen haben. Das Stück trifft auf jeden Fall den Zeitgeist.

Inwiefern?

Es ist selten, dass man ganzheitlich denkt, es ist eher eine Ellenbogen-Generation, die „mein Kind, mein Kind“ und „ich, ich, ich“ denkt. Lutz Hübner, der Autor des Stücks, ist einfach fantastisch, er hat den Leuten sozusagen aufs Maul geschaut.

Das Stück ist vordergründig sehr lustig – kippt es auch mal in Bitterkeit?

Bei den Zuschauern gibt es auch Momente betretener Stille. Jede Vorstellung ist da anders: mal sind es vereinzelte Lacher, mal ist das Lachen auch hämisch.

Sind Sie selbst Mutter schulpflichtiger Kinder?

Meine Tochter geht nicht mehr zur Schule, aber ich habe diese Elternabende zur Genüge erlebt: Ich war selbst einmal Elternsprecherin in der Grundschule und habe das, was im Stück vorkommt, absolut so erlebt. Es gibt bei Hübner eine Figur, die versucht, solidarisch zu sein, aber sie kommt nicht durch. Und ich kann mich erinnern, dass wir in der Grundschule darüber diskutierten, ob die Kinder schon zur dritten Klasse Zensuren oder nur Beurteilungen bekommen sollten. Ich war mit einer anderen Mutter die einzige, die sagte: Wir wollen das nicht – da sind wir niedergemetzelt worden.

Zeigt das Stück einen Ausweg aus diesem Konflikt?

Es lässt das Publikum am Ende allein mit seinen Gedanken. Man geht mit einem nachdenklichen Geschmack nach Hause – ich finde es schön, wenn Theater das schafft. Man lacht und dann fragt man sich: Ups, warum habe ich eigentlich so gelacht.

Ist das Stück vor allem etwas für Eltern?

Sicher auch. Aber es geht auch ganz allgemein um die Gesellschaft, in der wir leben, und das ist für alle interessant. INTERVIEW: GRÄ

„Frau Müller muss weg“: 19.30 Uhr, Theater Kontraste, Hudtwalckerstraße 13