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Archiv-Artikel

Nationalsport Ohrfeigen

POLYGAMIE Die Nigerianerin Lola Shoneyin und ihr Roman „Die geheimen Leben der Frauen des Baba Segi“

Bevor dieses Buch einen begeistert, macht es einen erst mal wütend: Der jovial aufgekratzte Ton nervt, in dem die Autorin über die Vielehe im heutigen Nigeria schreibt – wo doch jede/r mitbekommen haben sollten, wie es Frauen dort ergehen kann. Man denke nur an Boko Haram. Die Schriftstellerin Lola Shoneyin scheint das zunächst nicht zu kratzen. Bolanle heißt ihre Protagonistin, die sich trotz eines Universitätsabschlusses mit 21 Jahren in die Hände eines nicht besonders hellen Mannes begibt, der schon drei andere Frauen sein Eigen nennt. Er ist von nun an ihr Herr und Gebieter.

Shoneyin lässt sodann die anderen Frauen zu Wort kommen, die, wie nicht anders zu erwarten, schreckliche Intrigen spinnen, um die Neue auszubooten. Shoneyin wechselt oft die Perspektive, auch der Mann selbst und sein Fahrer kommen zu Wort. Jedes der Kapitel entlarvt vordergründig seine jeweiligen Protagonisten und recht eigentlich ein sehr gewalttätiges Land, welches das Ungleichgewicht der Welt spiegelt.

Ihren munteren Plauderton konterkariert die Autorin immer wieder mit der ungeschönten Schilderung schrecklicher Gewalttaten. Von der eigentlichen Geschichte möchte man indes nicht zu viel verraten, denn sie hält manch eine Überraschung bereit. Shoneyins Werk zeigt nicht nur, welche Lebenswege in eine Vielehe führen können, sondern veranschaulicht auch ganz allgemein, dass bei einer solchen nichts ist, wie es auf den ersten Blick scheint.

Es ist der erste Roman der 1974 im nigerianischen Ibadan geborenen Lola Shoneyin, die bislang vornehmlich als Lyrikerin in Erscheinung getreten ist. Die Autorin beschreibt das Leben der Frauen in einer Welt, in der sie in erster Linie zum Ficken, Kochen und Gebären taugen. Einer Welt, in der das Ohrfeigen von Frauen Nationalsport ist, wie es einmal heißt. Im Haus von Baba Segi geht es den vier Frauen und sieben Kindern hingegen ganz gut, der Reihe nach teilen die Frauen das Bett ihres Herrn und kümmern sich ansonsten um ihre eigenen Belange.

Dabei erfahren die Leser nach und nach, dass das Haus durchaus auch ein Zufluchtsort für die Frauen ist – alle hatten gute Gründe, sich in die dicken Arme dieses Mannes zu werfen.

Dass es kein ehrenwertes Haus ist, erfahren die Leser dann erst im Laufe der Zeit; dass es die Frauen faustdick hinter den Ohren haben, auch. Dabei schwankt der Roman zwischen Comédie humaine und Komödienstadel. Darüber hinaus mutet er dem Leser einiges an realistischen Grausamkeiten zu. Die Frauen erscheinen bei Shoneyin dabei als ebenso triebgesteuert wie die Männer.

Auch davon erzählt der Roman offenherzig und plastisch. Die Übersetzerin Susann Urban bringt das in ein Deutsch, das dem Lachen so viel Raum lässt wie dem Schrecken. Dabei strotzt das Buch vor sprachlichen Einfällen, sei es, dass sich jemand ein Streichholz seitlich ins Lächeln klemmt oder Baba Segi seinen Penis hält als wäre dieser eine saftige Rechnung. Hinzu kommen Sprichwörter, die nicht selten zulasten des vermeintlich starken Geschlechts gehen („Gott hat die Männer mit Eiern bedacht, damit das fehlende Hirn ausgeglichen wird“). Wenn das Buch sich seinem Ende zuneigt, kapiert man, dass dies kein Roman über die Vielehe ist, sondern einer über die Frauenverachtung – über die Frauenverachtung der Männer wie der Frauen selbst. SHIRIN SOJITRAWALLA

Lola Shoneyin: „Die geheimen Leben der Frauen des Baba Segi“. Aus dem Englischen von Susann Urban. Edition Büchergilde. 283 Seiten, 22,95 Euro