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Archiv-Artikel

Erdogan setzt noch einen drauf

KRISE Türkischer Premier bricht Rüstungskontakte zu Israel ab. Nächste Woche will er nach Gaza reisen. Israelische Geschäftsleute auf dem Flughafen in Ankara schikaniert

Mit der Türkei verliert Israel seinen ältesten muslimischen Verbündeten

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Die Krise zwischen Ankara und Jerusalem verschärft sich. Am Dienstag verkündete der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan die Aussetzung sämtlicher Rüstungskontakte. In der kommenden Woche fliegt der erzürnte Regierungschef nach Kairo und will von dort aus weiter in den Gazastreifen reisen. Noch am Morgen hatte Amos Gilad, Direktor der Abteilung für politische Angelegenheiten im Verteidigungsministerium, versucht, die Krise herunterzuspielen. „Der israelische Militärattache bleibt in Ankara“, erklärte er gegenüber der „Stimme Israels“.

Anlass der akuten Auseinandersetzung war der Flotille-Zwischenfall im Mai vergangenen Jahres. Nach Veröffentlichung des UN-Untersuchungsberichts zum Tod von neun türkischen Aktivisten, die vor der Küste des Gazastreifens von israelischen Marinesoldaten erschossen worden waren, forderte die Türkei ultimativ eine offizielle Entschuldigung, Wiedergutmachungszahlungen an die türkischen Opfer sowie die Aufhebung der Seeblockade, die Israel über den Gazastreifen verhängt hat. Israel gab sich unnachgiebig.

Mit der Türkei verliert Israel seinen ältesten muslimischen Verbündeten. Die diplomatischen Beziehungen zu Ankara sind älter als 60 Jahre. Das Verhältnis war jedoch stets von Höhen und Tiefen bestimmt. Eine vergleichbare Krise gab es in den 80er Jahren, als die Regierung in Ankara die Beziehungen auf ein Minimum reduzierte – damit reagierte die Türkei auf Israels Annexion von Ostjerusalem. Erst elf Jahre später durfte erneut ein israelischer Botschafter kommen. Die Türkei belohnte Israel damit für die Friedenskonferenz 1991 in Madrid.

„Die Beziehungen zwischen den beiden Staaten werden stark vom israelisch-arabischen Verhältnis geprägt“, meint Alon Liel, der während der diplomatischen Eiszeit in den 80er Jahren die Stellung in Ankara hielt und später Botschafter wurde. Grund für die aktuelle Krise, die lange vor dem Flotille-Zwischenfall begonnen habe, sei der stockende Friedensprozeß zwischen Israel und den Palästinensern. Liel glaubt dennoch, dass die israelische Regierung die Bedingung einer offiziellen Entschuldigung für den Tod der neun pro-palästinensischen Aktivisten aus der Türkei hätte erfüllen müssen. Die Beziehungen wären zwar weiterhin belastet geblieben, „aber wenigstens hätten wir noch unseren Botschafter in Ankara und eine Militärkooperation“.

In Jerusalem besteht die begründete Sorge, dass Erdogan seinen Einfluss in der Region gegen Israel geltend machen werde. Schon in der kommenden Woche will der türkische Regierungschef nach Kairo fliegen, um die türkischen Beziehungen mit Ägypten zu stärken. Anschließend will er in den Gazastreifen weiterreisen. Sollte es ihm gelingen, die ägyptische Übergangsregierung gegen den Willen der USA und Israels dazu zu bewegen, ihm die Reise zu bewilligen, „wäre das ein klares Signal der Annäherung von Kairo und Ankara“, meint Liel.

Der ehemalige Botschafter in Ankara erinnert sich mit Grausen an seine Amtszeit in den 80er Jahren. „Wir konnten nichts tun“, sagt Liel. „Niemand war bereit, mit uns zu reden.“ Sogar die internationalen Messen seien Israel verschlossen geblieben. Der Diplomat glaubt, dass trotz der aktuellen Krise die Geschäftsverbindungen zwischen privaten Unternehmen fortgesetzt werden. Im Sport wird es spätestens in zwei Wochen zu einer ersten Prüfung kommen, wenn Maccabi Tel Aviv im Rahmen der Championsleague in der Türkei spielt. „Wenn ich kein großer Fan von Maccabi wäre, würde ich nicht hinfahren“, warnte Liel.

Erst Anfang der Woche mussten 40 israelische Geschäftsleute lange Wartezeiten und peinliche Untersuchungen am Flughafen in Ankara über sich ergehen lassen. Schikanen, die umgekehrt türkischen Touristen in Israel nicht unbekannt sind. Wie jetzt aus dem Aussenministerium verlautete, werden Türken am Ben-Gurion-Flughafen schon seit Monaten automatisch von den anderen Reisenden isoliert und gesondert überprüft.