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Archiv-Artikel

Vergessliche Geburtstagsredner

Die nordrhein-westfälische FDP feiert ihr 60-jähriges Bestehen als große Erfolgsgeschichte. Das gelingt aber nur, wenn man nicht so genau zurückblickt

DÜSSELDORF taz ■ Oldtimer, so weit der Blick reicht. Gut passend hatte sich die nordrhein-westfälische FDP das Düsseldorfer „Meilenwerk“ als Ambiente für die Festveranstaltung anlässlich ihres 60-jährigen Bestehens ausgesucht. Hier, wo sonst die Freunde alter Autos ihrem Hobby frönen, feierte die Partei ihre Helden von einst und sich selbst. Warum auch nicht, ist der Landesverband doch der bis heute wohl einflussreichste in der FDP.

Sechs der bisher zwölf Bundesvorsitzenden und neun Bundesminister stammten aus NRW. Mit Guido Westerwelle, Hans-Dietrich Genscher, Otto Graf Lambsdorff und Walter Scheel kommen auch der aktuelle Parteichef und die drei Ehrenvorsitzenden hierher. Immer wieder habe es die Partei an Rhein und Ruhr geschafft, „die großen Herausforderungen frühzeitig zu benennen und mutige Antworten zu geben“, sagte Landeschef Andreas Pinkwart in seiner Laudatio. Eine einzige Erfolgsgeschichte also – jedenfalls, wenn man nicht so genau hinschaut.

Ohne in die Stimmung trübende Details zu gehen, räumte Pinkwart ein, dass die NRW-FDP in ihrer Geschichte „auch schwierige Phasen erlebt“ habe. Wichtig sei jedoch, dass sie „dabei jeweils ihrem Kurs der Freiheit, der Weltoffenheit und Toleranz stets treu geblieben“ sei. Ob er damit unter anderem jene Reaktion des ersten – von 1946 bis 1956 amtierenden – FDP-Landeschefs Friedrich Middelhauve auf das Begehren eines wegen nationalsozialistischer Unterwanderungsversuche von der Bundespartei eingesetzten Untersuchungsausschusses meinte? Middelhauve verweigerte die Herausgabe einer Liste der im Landesverband beschäftigten Mitarbeiter an das Gremium mit der Begründung, dieses Ansinnen stünde für ihn „im Gegensatz zu der offiziellen Haltung der Partei, die schon seit Jahren den Abschluss der Entnazifizierung fordert und in Nordrhein-Westfalen sogar die Vernichtung der Entnazifizierungsakten offiziell im Landtag beantragt hat“.

Tatsächlich war seinerzeit der hauptamtliche Apparat der NRW-FDP durchsetzt mit ehemaligen NSDAP-, HJ- und SS-Funktionären. So konnte der äußerst rechts positionierte Landesverband – zumindest wohl mit Duldung Middelhauves – Ausgangspunkt für die Übernahmeaktivitäten des „Naumann-Kreises“ werden, einer Gruppe um Werner Naumann, dem letzten Staatssekretär von Joseph Goebbels. Anfang 1953 wurde der Kreis von den Briten ausgehoben. Maßgebliche Türöffner für die Rechtsextremen blieben indes unbehelligt und konnten ihre Karriere in der FDP fortsetzen. Bis in die 60er-Jahre hinein blieb der Landesverband stramm deutschnational ausgerichtet.

Am Jubiläumsabend sparte sich Pinkwart jede Erwähnung der braunen Flecken auf der blau-gelben Weste. Auch sonst glänzte seine Rede durch Auslassung. War denn nicht auch der nationalliberale frühere Partei- und Bundestagsfraktionschef Erich Mende ein NRWler gewesen? Mit keinem Wort erwähnte Pinkwart den stolzen Ritterkreuzträger, der aus Protest gegen die sozialliberale Koalition 1970 zur CDU desertierte.

Dieses Kunststück konnte Pinkwart bei seinem direkten Vorgänger nicht ganz gelingen. Aber er gab sich Mühe. Gerade zweimal nannte Pinkwart Jürgen Möllemann: in der Reihe der FDP-Vizekanzler aus NRW und im Zusammenhang mit dem Wiedereinzug in den Landtag im Jahr 2000. Dass Möllemann, der letztlich über kriminelle Machenschaften stürzte, so lange wie kein anderer dem Landesverband vorstand, daran erinnerte Pinkwart nicht. Er rühmte nur allgemein die „Stabilität“ der NRW-FDP. Diese habe in den letzten 60 Jahren mit sieben Vorsitzenden gerade mal so viele Chefs erlebt wie die Bundes-SPD in den letzten 20 Jahren. Dass Möllemann rund 17 dieser 60 Jahre amtierte, soll wohl lieber vergessen werden. PASCAL BEUCKER