AMERICAN PIE
: Condoleezza Rice vor dem K. o.

COLLEGE FOOTBALL Über die Frage, wie denn der Meister im Universitäts-Football ermittelt wird, streiten sich Experten schon ewig. Nun soll die frühere Außenministerin das Problem lösen. Erfolg wird sie keinen haben

Was treibt eigentlich Condoleezza Rice? Falls sich jemand Sorgen gemacht haben sollte um die ehemalige Außenministerin der USA: die ist beschäftigt. Und ihre aktuelle Aufgabe löst in den USA entschieden mehr Kontroversen aus als so ein dusseliger Krieg gegen den Irak.

Eigentlich ist Rice wieder Politologieprofessorin in Stanford, aber ihr Nebenjob erhitzt die Gemüter. Denn die 60-Jährige ist Mitglied des ersten „College Football Playoff Selection Committee“. Hinter dem Wortungetüm verbirgt sich eine 13-köpfige Kommission, die zum ersten Mal jene vier Football-Mannschaften auszuwählen hatte, die den College-Meister unter sich ausspielen dürfen. Dem Ausschuss gehören neben Rice, die als Fachfrau gilt, seit sie gestand, während der Saison mehr als ein Dutzend Spiele pro Woche im Fernsehen zu verfolgen, ehemalige Spieler, altgediente Trainer und aktuelle Collegesport-Funktionäre an.

Jede Menge versammelter Sachverstand also. Dass im Halbfinale, das am morgigen Neujahrstag ausgespielt wird, nun die Alabama Crimson Tide, Florida State Seminoles, Ohio State Buckeyes und Oregon Ducks stehen, hat trotzdem leidenschaftliche Diskussionen verursacht. Denn es gibt mit Baylor und Texas Christian University mindestens zwei weitere Mannschaften, die gut genug fürs Halbfinale eingeschätzt werden.

Der Shitstorm, der die Auswahlkommission ereilte, hat allerdings Tradition. Football ist der einzige College-Sport, der seinen nationalen Champion bislang noch nicht in einem Turnierformat ermittelt hat. Traditionen, die nur schwer zu überwinden sind, haben ebenso schuld wie die Millionen von Dollars, die sich mit den Amateur-Athleten, die offiziell Studenten sind, verdienen lassen. Mit dem zu dieser Spielzeit eingeführten Mini-Playoff-Format versuchte der Verband NCAA die Quadratur des Kreises: endlich ein K.-o.-System in den bald 150 Jahre alten Sport einzuführen und zugleich fast alles beim Alten zu belassen.

Ein Unterfangen, das scheitern musste. Schon weil es längst zur amerikanischen Folklore in der Weihnachtszeit gehört, sich in Sport-Talkshows, im Internet und in der Betriebskantine aufzuregen über die Meisterfindung im Football. Mal wurde der Champion von den Trainern gewählt, mal von Journalisten, mal wurden diese Polls zusammen mit obskuren Computerrankings zusammengerechnet, der am Schluss einen Meister ausspuckte, mit dem auch wieder keiner zufrieden war. So sehr bestimmt die College-Football-Meisterschaft den amerikanischen Seelenzustand, dass sogar Barack Obama 2008 sich im ersten Interview nach seiner Wahl zum Präsidenten zu dem Thema äußern musste: „Wir brauchen ein Playoff-System mit acht Mannschaften.“

Nur sechs Jahre später ist der Vorschlag zumindest zur Hälfte umgesetzt. Dass die beliebten Diskussionen aber verschwinden, wenn das Playoff-Feld weiter vergrößert würde, bezweifelt nicht nur Bob Bowlsby, als Chef der mächtigen College-Liga Big 12: „Wir werden Kontroversen auch dann nicht verhindern, wenn wir von vier auf acht erweitern sollten.“

Und Condoleezza Rice? Wünscht sich vermutlich, sie könnte sich wieder leichteren Dingen wie einer Militärintervention widmen. THOMAS WINKLER