LESERINNENBRIEFE :
Moderne Kulturlandschaft eben
■ betr.: „Was erwarten Sie von einem Biertrinker?“, taz v. 29. 12. 14
Haben Sie das Foto der Hochmoseltalbrücke im Gedächtnis? Die (im Bau befindlichen) Pfeiler und die ausgerichteten Weinparzellen, das passt beeindruckend zueinander: moderne Kulturlandschaft eben. Wie vom Designer bestellt. Es stört nur die Natur, die nicht angelegten Buschparzellen. KLAUS WARZECHA, Wiesbaden
Ein Hasardspiel
■ betr.: „Was erwarten Sie von einem Biertrinker?“, taz v. 29. 12. 14
Der Bau des Hochmoselüberganges gehört zu den Dingen in meinem Leben, die ich wohl nie wirklich verstehen werde. Als Geologin aus dem Erzgebirge weiß ich, dass die Pfeilergründung im geotechnisch total instabilen Ürziger Rutschhang eigentlich ein Hasardspiel ist, welches ganz schnell die Baukosten in Milliardenhöhe treibt oder ein ewig risikobehaftetes, weil nicht standsicheres Bauwerk entstehen lässt. Und als Reisende weiß ich, wie töricht es ist, eine Region, die seit der römischen Antike den Weinbau kultiviert, mit einem derartigen Bauwerk zu verschandeln, das nicht in die seit Jahrtausenden gewachsene Kulturlandschaft passt und gehört.
Es stimmt mich traurig, miterleben zu müssen, wie eine Partei, die einst dafür eintrat, unsere Landschaften im Einklang mit der Ökologie zu bewahren, zu diesem verkehrstechnischen unsinnigen Projekt Ja sagt. Es gibt geotechnisch hochanspruchsvolle Bauwerke, die die Innovation im Ingenieursbauwesen vorangetrieben haben, und es gibt Fossile, in der geologischen Erdgeschichte wie im menschlichen Denken und Planen. Und zu Letzteren gehört eindeutig die neue Hochmoselbrücke. Aber auch die Grünen und alle anderen Entscheidungsträger in Rheinland-Pfalz können sich ja wieder einer Metamorphose unterziehen und dieses Projekt vielleicht doch noch stoppen. ROSWITHA TEMPER, Kirchberg
Auf gutem Weg?
■ betr.: „Griechenland. Beben unter der Akropolis“, taz v. 30. 12. 14
Ich hoffe, dass die Griechen klug genug sind und sich bei ihrer Parlamentswahl nicht von der EU einschüchtern lassen! Denn ein richtiges Wirtschaftswachstum, wie es immer herbeigeredet wird, findet gar nicht statt. Im Gegenteil: Die Verarmung steigt trotz EU-Finanzhilfen, das Gesundheitssystem ist zusammengebrochen und die Selbstmordrate hat um fast 40 Prozent zugenommen. Und das beschrieb Kanzlerin Merkel noch vor einigen Wochen mit den Worten, Griechenland sei auf einem guten Weg. Das ist einfach zynisch und völlig daneben! Griechenland sollte den Euro verlassen und sich, wie von dem Chef der griechischen Linken, Alexis Tsipras, gefordert, aus den Zwängen des Deutschen Spardiktats befreien. Nur so gibt es eine Zukunft für Griechenland, die auch für andere südeuropäische Staaten eine Option sein sollte. Die Euro-Krise schwelt ohnehin weiter und wird eines Tages sowieso zum Zusammenbruch führen, auch wenn uns Politiker immer etwas anderes weismachen wollen!THOMAS HENSCHKE, Berlin
Gefahr für Freiheit und Demokratie
■ betr.: „Mit diesen Leuten gibt es nichts zu bereden“, taz vom 29. 12. 14
Merkels Europavision sieht in etwa so aus: Alle kaufen deutsche Produkte und entrichten verlässlich den jeweiligen Festpreis (Wolfgang Streeck). Ansonsten gilt: Sozialbudgets kürzen und generell sparen. Dabei sind neoliberal inspirierte Schuldenbremsen unbedingt einzuhalten. Wenn Südeuropa endgültig kaputt ist, muss es sich halt anstrengen und noch stärker sparen. Das Schlimmste wäre wegen der Inflationsgefahren ein Aufschwung auf Pump, und im Vordergrund kann allein stehen, dass Deutschland sich weiter günstig refinanzieren kann, dass sein Exportmotor läuft und dass man es im Übrigen in Ruhe lässt.
Deniz Yücel hat recht: Der deutsche Wirtschaftsnationalismus ist eine Gefahr für Europa. Dabei darf keineswegs übersehen werden, dass er in seinem Kern dezidiert rassistisch ist. In Topoi wie „südländische Defizitsünder“ oder „Pleite-Griechen“ steckt mindestens so viel Rassismus wie im „Identitätsgeschwätz“ von Peter Friedrich (CSU) respektive der Pegida-Protagonisten. Langfristig dürfte die von Merkel verfolgte Strategie der marktkonformen Demokratie, die Basis ihrer Europa-Politik ist, eine größere Gefahr für Freiheit und Demokratie darstellen als der ganze Pegida-Mumpitz.BILL RÄTHER, Kellinghusen