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Archiv-Artikel

Schwarzes Schaf oder Sündenbock

Man wolle ihn als Sündenbock, sagte Steven Jordan der Washington Post vor wenigen Wochen. Ihn habe man herausgegriffen, weil er Reservist sei, man ihn für „entbehrlich“ halte. „Ich bin an nichts schuld, was in Abu Ghraib passiert ist,“ sagte er. Seine Unschuld vor Gericht zu beweisen, dürfte ihm allerdings schwerfallen.

Jordan, Oberstleutnant der US-Armee, ist der Letzte, der wegen des Abu-Ghraib-Skandals angeklagt ist – und der einzige Offizier. Elf Soldaten sind von Militärgerichten verurteilt worden. Die Kritik ist nicht verstummt: Mit diesen Prozessen würden nur die Verantwortlichen der unteren Ebene abgestraft, die Befehlsgeber blieben unbehelligt. Jetzt hoffen Beobachter, dass die Frage erhellt wird, von wie weit oben die Befehle zu „verschärften Verhörmethoden“ kamen.

Jordan, 51, lebt in Scheidung und hat drei Kinder. Mit 23 trat in die Armee ein; nach der Offiziersschule arbeitete er als Analyst beim militärischen Nachrichtendienst. 1991 wurde er Reservist. Er arbeitete in Bosnien und Haiti in Wiederaufbauprojekten, bis ihn die Armee 2003 wieder einberief.

Im Irak hatte er einen schlechten Start: Kurz nach seiner Ankunft wurde er bei einem Angriff verletzt. Auf seinen Job als Direktor der Verhörabteilung von Abu Ghraib war Jordan schlecht vorbereitet: Da er weder Erfahrungen mit Verhören noch mit der Leitung einer Haftanstalt besaß, kümmerte er sich vor allem um die Lebensbedingungen der Soldaten. Für die Verhöre seien laut Jordan andere Offiziere zuständig gewesen, darunter sein Vorgesetzter, Oberst Pappas. Der kam mit einem Verweis davon.

Neben den unklaren Zuständigkeiten in Abu Ghraib wird vor allem Jordans Verhalten in der Nacht des 24. November 2003 Thema des Prozesses sein. Nach dem Angriff eines Irakers auf US-Wärter trieben US-Soldaten in einer Racheaktion alle irakischen Polizisten zusammen, zogen sie aus und bedrohten sie mit Hunden. General George Fay, der den Skandal untersuchte, bewertet die „schweigende Zustimmung“ Jordans zu diesen Übergriffen als eine Ursache für die folgenden Folterungen. Jordan werden vier Delikte vorgeworfen; zwei andere Punkte wurden fallengelassen, nachdem Fay erklärt hatte, er habe vergessen, Jordan vor einer Befragung 2004 über seine Rechte aufzuklären. Im Fall einer Verurteilung drohen Jordan bis zu 8,5 Jahre Haft. Ob er eins der wenigen „schwarzen Schafe“ in der Armee ist, die Ex-Pentagonchef Donald Rumsfeld für den Folterskandal verantwortlich machte, oder doch der Sündenbock, der von Fehlern auf höherer Ebene ablenken soll – diese Frage wird der Prozess wohl offen lassen. JULIANE SCHUMACHER

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