„Die Roben gehören in die Mottenkiste“

KRITIKER Tobias Bergmann und Gregor Hackmack von der oppositionellen Gruppierung „Die Kammer sind wir“ über den derzeitigen Kurs der Kammer und ihre Gegenvorschläge

■ 37, ist Mitglied im Landesvorstand von Mehr Demokratie und als Sozialunternehmer Mitglied der Handelskammer. Er hat das Internetportal www.abgeordnetenwatch.de aufgebaut, auf dem Politiker Bürgerfragen beantworten.

INTERVIEW GERNOT KNÖDLER
UND SVEN-MICHAEL VEIT

taz: Herr Bergmann, Herr Hackmack, ist die Hamburger Handelskammer eine Gegenregierung zum Senat?

Gregor Hackmack: Sie wäre das gerne, und deshalb müssen wir aufpassen, dass politische Instrumente wie die direkte Demokratie nicht durch intransparente Hinterzimmerkungeleien der Kammer ausgebremst werden. Allerdings ist die Kammer bislang bei allen Volksentscheiden mit ihrer Position nicht durchgekommen, etwa beim Rückkauf der Energienetze oder beim Bürgerentscheid zur Seilbahn im Hafen.

Tobias Bergmann: Ich würde sie nicht die Gegenregierung nennen, aber die Kammer glaubt immer wieder, sie wäre die bessere Regierung. Dieses für meinen Geschmack manchmal überzogene Selbstbewusstsein lässt sich aus der hanseatischen Tradition der Kaufmannschaft erklären.

Was ist die Aufgabe der Handelskammer im 21. Jahrhundert?

Bergmann: Ausbildung! Es muss ein Kernthema der Kammer sein, das zu fördern. Und zweitens die Interessenvertretung der gesamten Wirtschaft, nicht nur der Großindustrie und Hafenwirtschaft. Die Wirtschaft in Hamburg ist mittlerweile sehr heterogen, und das muss sich in der Kammer und ihrer Politik widerspiegeln.

Wird sie diesen Ansprüchen gerecht?

Bergmann: Nein. Zum Beispiel die wachsende Migrantenwirtschaft, zumeist Familienbetriebe, höchstens mittelständische. Die kommen nicht vor.

Hackmack: Frauen auch nicht.

Was war Ihr Antrieb für Ihr oppositionelles Bündnis?

Hackmack: Vieles hat sich entwickelt aus dem einseitigen Bekenntnis der Handelskammer 2013 gegen den Rückkauf der Energienetze. Da haben sehr rasch 150 Kammermitglieder eine interne Resolution unterschrieben, um klarzustellen, dass das nicht ihre Meinung ist.

Wie ist das Verhältnis zwischen den etablierten Kräften in der Kammer und der Opposition? Gelten Sie als Nestbeschmutzer oder Störenfriede?

Bergmann: Das Verhältnis ist meist unterkühlt. Aber immer mehr sagen, man muss sich der Debatte stellen.

Hackmack: Wir haben mit 13 Mitgliedern im Plenum die Möglichkeit, Satzungsänderungen zu stoppen. Wir verfügen über eine Sperrminorität. Deshalb gibt es Annäherungen. Um wirklich etwas ändern zu können in der Kammer, müssen wir aber bei den nächsten Kammerwahlen 2017 die Mehrheit erringen. Das ist unser Ziel.

Wollen Sie die Kammer reformieren oder kapern?

Hackmack: Erneuern, strukturell und personell: Die Roben gehören in die Mottenkiste, der nächste Präses muss die Hamburger Unternehmerschaft des 21. Jahrhundert repräsentieren.

Das ist eine Kampfansage.

Hackmack: Ja. Mit dieser Kammer in dieser Form sind keine Reformen zu machen. Da muss sich gewaltig was ändern.

Was werfen Sie der Kammer konkret vor?

■ 43, ist Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Nordlicht Management Consultants mit 30 Mitarbeitern. Für ein Gutachten der Kammer zum Gehalt ihrer Geschäftsführer hat er 200 Euro bezahlt. Die interessantesten Passagen sind geschwärzt.

Hackmack: Die Hauptgeschäftsführung unter Hans-Jörg Schmidt-Trenz hat sich verselbständigt. Er hat sich der demokratischen Kontrolle durch das Kammerparlament entzogen. Der Apparat diktiert das Geschehen, nicht das Präsidium.

Bergmann: Es geht darum, die Meinungsbildungsprozesse in der Wirtschaft zu demokratisieren und transparenter zu machen. Ich zum Beispiel halte den Mindestlohn für richtig, und es gibt viele und prominente Unternehmer, die das auch so sehen. Außerhalb der Kammer aber erfährt das niemand. Auch bei der Olympiabewerbung Hamburgs herrscht keineswegs Einigkeit in der Kammer.

Ist die Zwangsmitgliedschaft in der Kammer dann nicht eher Segen als Fluch? Dann können alle mitreden.

Bergmann: Ja, auch wir. Sonst wären wir wohl schon lange ausgetreten oder niemals eingetreten. Im Grundsatz würde ich sagen, Zwangsmitgliedschaften sind sinnlos.

Hackmack: Wenn, dann müssen diese demokratisch verfasst sein. Wenn ich mich dem nicht entziehen kann, muss ich mitbestimmen können.

Wie sieht die Kammer in 15 Jahren aus?

Hackmack: Sie ist Dienstleister vor allem für Gründer, transparent und demokratisch.