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Archiv-Artikel

Der Geruch von Haschisch und Parfüm

KUNSTMESSE Das Art Forum Berlin existiert nicht mehr, die abc art berlin contemporary muss die Lücke füllen. Ihr Konzept, das Format der Kunstmesse in eine Ausstellung zu transformieren, ist aufgegangen

Der Traum vom Kunstmessestandort Berlin ist nicht ausgeträumt. Er wird nur anders interpretiert

VON ULRICH GUTMAIR

Man fühlt sich an die Zeiten erinnert, als in Berlin noch die Politbüros das Sagen hatten. Da gibt es nur eine Frage, die wirklich alle brennend interessiert. Aber gerade auf diese möchte der Galerist aus dem Kuratorium der abc art berlin contemporary keinesfalls antworten. Nein, er will lieber über „Inhaltliches“ reden. Die als unbotmäßig zurückgewiesene Frage lautet, wie sich die abc denn zum untergegangenen Art Forum verhält?

Es ist ein merkwürdiger und auch komischer Moment. Denn es gibt gar keinen Grund zu Überdruss, Nervosität und Gereiztheit, zumindest in konzeptioneller Hinsicht: Das so innovative wie einzigartige Konzept der abc, eine Messe in das Format einer Ausstellung zu transformieren, ist aufgegangen. Sie findet nun bereits zum vierten Mal statt. Der Traum vom Kunstmessestandort Berlin ist nicht ausgeträumt. Er wird aber deutlich anders interpretiert. Berlin ist kein potenter Kunsthandelsplatz. Aber ein Ort, wo Kunst gemacht, wo über Kunst gesprochen und nachgedacht wird. Der Termin des Art Forums war in den letzten Jahren schlecht gewählt, die städtische Messegesellschaft zu bräsig und manche Berliner Galeristen zu großspurig. Spätestens, als die Frieze Art in London gegründet wurde, war die Krise des 1996 gegründeten Art Forums nicht mehr zu übersehen. In diesem Jahr findet die Messe nicht mehr statt.

Hans-Peter Feldmanns „Maler mit Palette, Augen mit schwarzem Balken“ (der Titel ist ein Arbeitstitel, ein Entstehungsjahr wird nicht angegeben) hängt im Eingangsbereich der Ausstellung und gibt die Marschrichtung vor. Feldmann hat ein gerahmtes Ölbild appropriiert, das dem Stil und dem Zustand der Farbe nach zu urteilen nicht ganz neu ist. Vermutlich zeigt es das Selbstporträt eines Malers, Palette in der linken, Pinsel in der rechten Hand. Seine Augen hat Feldmann mit einem dunkelgrauen Balken eher schlecht als recht übermalt. Feldmann ist Konzeptkünstler, der „Maler“ stammt aus jüngerer Zeit, könnte aber genauso gut von 1965 sein. Das passt, denn manche der hier Arbeiten sind alt, viele sind neu.

„About Painting“ lautet das Motto dieser abc, und so wundert es nicht, dass sie voller Arbeiten ist, die sich mit dem Kanon der Malerei im Besonderen und der Kunst im Allgemeinen auseinandersetzen. Das ist mal mehr, mal weniger spannend, mal referenziell, mal abstrakt, mal figürlich. Alle denkbaren Medien von Spiegeln über Fotos, Vitrinen, Installationen, Projektionen werden benutzt.

Gwenneth Boelens fängt in einem aufwändigen fotografischen Verfahren Licht auf Glasplatten ein. Przemek Matecki kommentiert den Bildkanon in Zeichnungen, etwa das berühmte Foto, das amerikanische GIs auf einer Treppe zeigt. Sie haben von den Nazis geraubte Gemälde in der Hand, zwischen ihnen steht Superman. Florian Meisenberg hat einen bunten Darm gemalt, in dem sein persönlicher „Kanon“ in Form von Künstlernamen erscheint. Da finden sich Beuys, Georg Herold und Mark Leckey neben Dash Snow und J. Rousseau. Andreas Slominski hängt ein fabrikneues Garagentor auf die weiße Ausstellungswand, die sich im Zickzack durch Halle 1 schlängelt. Anna Oppermanns großformatige und nachkolorierte Fotos ihrer eigenen altarähnlichen Installationen, in denen ihrerseits Fotos ihrer altarähnlichen Installationen zu sehen sind, verwirren die Sinne. Was ist Bild, was nicht?

Die Arbeiten von 130 Künstlern sind noch bis Sonntag zu sehen, die von 125 internationalen Galerien repräsentiert werden. 3.500 Euro kostet die Teilnahme an der Ausstellung. Es ist ein Unkostenbeitrag, der für ein paar Quadratmeter Wandfläche und die Organisation des Ganzen zu entrichten ist. (Die kleinste Koje der Art Basel kostet 20.000 Euro.) In Berlin gibt es keine Kojen, dafür aber eine Kuratorin namens Rita Kersting, die manchmal mit ihren Wünschen bei den Galerien durchgedrungen ist, manchmal auch nicht.

In der großen Halle 7 hängt ein Porträt von Wolfgang Betke, „Baustelle – Sozial/International“ (2011) das erst beim dritten Hinschauen als solches zu erkennen ist: Ach, das sind ja Haare. Hier eine Krawatte, dort ein Kragen. Ist das abstrakt, ist das figürlich? Es ist jedenfalls bunt, voller Primärfarben aus Acryl und glänzender Industriealufolie, aber eben nicht fabrikneu, sondern abgeschliffen. Betkes Bilder sehen so aus wie die kongeniale visuelle Übersetzung einer genuin berlinischen Idee von Glamour, des Sounds von Housemusic und des Geruchs von Feuchtigkeit, Schweiß, Haschisch und Parfüm. Betke arbeitet seit jeher mit Sprache, Klang und Bildern, und vielleicht ist ebendas der Grund, warum seine Arbeiten der Idee der Malerei in dieser Show ein paar Zentimeter neuen Grund erobern.