: „Eine Liebeserklärung an das Leben“
THEATER Die Shakespeare Company traut sich erstmals im Winter auf die Bühne. Ensemblemitglied Katharina Kwaschik über das Stück „Wintermärchen!“, die Musik dazu und die Liebe
■ 38, ist Schauspielerin und Mitglied der Shakespeare Company Berlin. Im „Wintermärchen!“ wird sie als Hermione und als Perdita zu sehen sein.
INTERVIEW STEFANIE BAUMEISTER
taz: Frau Kwaschik, man kennt die Shakespeare Company Berlin eigentlich als Sommerbühne, die in der kalten Jahreszeit immer eine Pause machen musste. In diesem Jahr aber nicht. Was ist neu?
Katharina Kwaschik: Wir führen das „Wintermärchen!“ in einem Zelt in der Lokhalle des Natur-Parks Schöneberger Südgelände auf. Für die Finanzierung gab es im Vorfeld eine Crowdfundingkampagne. Erstmals in der Geschichte der Company haben wir ein derartiges Crowdfundingprojekt probiert.
Wie ist das gelaufen?
Sehr gut. Innerhalb von drei Monaten haben wir im Sommer mehr als 10.000 Euro gesammelt. Dabei wurden wir total überrascht von unserem Publikum, der großen Zustimmung und dem Wunsch, teilzuhaben an unserer Arbeit.
War die Kampagne anstrengend? Und gab es dabei Momente, in denen Sie Angst hatten, es könnte nicht klappen?
Ehrlich gesagt, wir hatten natürlich Angst und haben versucht, realistisch zu bleiben. Natürlich hätte es sein können, dass wir das Finanzierungsziel nicht erreichen. Aber auch das wäre kein Misserfolg für uns gewesen, sondern eine lehrreiche Erfahrung. Auch nach der erfolgreichen Crowdfundingkampagne mussten wir noch einige Steine aus dem Weg räumen, um mit der Produktion beginnen zu können. Die Angst, es nicht zu schaffen, ist aber niemals ein Grund, etwas nicht zu versuchen.
Sie komponieren auch die Musik für das „Wintermärchen!“. Was war Ihnen dabei besonders wichtig?
Vor allem, dass ich das nicht allein mache, sondern mit meinem Schauspielkollegen Nico Selbach zusammen. Das hat sehr gut funktioniert. Wir haben uns für einen intuitiven gemeinsamen Entdeckungsprozess entschieden, den wir offenhalten für Anregungen und Ideen des anderen. Mittlerweile ist ein Klangbild aus mehrstimmigen szenischen A-cappella-Liedern und verschiedenen instrumentalen Sounds entstanden, die teils sehr überraschend sind. Damit wollen wir Stimmungen, Übergänge und Räume zum Klingen bringen. Unser „Wintermärchen“ wird auch aus musikalischer Sicht eine vielschichtige Inszenierung.
In einem Satz: Worum geht es im „Wintermärchen!“?
Ein eifersüchtiger König verstößt seine schwangere Frau, verbannt die neugeborene Tochter, und die Mutter bricht wie tot zusammen. Jahre später begegnen sich Vater und Tochter wieder, die Mutter wird lebendig und alle finden zueinander.
Das waren zwei Sätze … Welche Themen dominieren?
Die großen Themen im „Wintermärchen“ sind Begegnung und Bewegung zwischen Menschen. Die Transformation oder Auflösung von Hass und Zerstörung, ein unerschütterlich aufrichtiger Blick auf die Konsequenzen menschlichen Handelns. Außerdem die ausführliche Beobachtung der menschlichen Fähigkeit, zu lieben, unter der bewusst gewählten Voraussetzung von Ehrbarkeit und Würde. Es ist im Sinne von Shakespeares Komplexität ein Meisterwerk, in dem er jeden einzelnen Charakter weiterentwickelt und dies auf die Spitze treibt.
Dabei geht es um junge Liebe, um Hass, Eifersucht und Intrigen. Wie haben Sie sich damit auseinandergesetzt?
■ Die Aufführung von „Wintermärchen!“ ist für die Shakespeare Company Berlin auch deswegen eine Premiere, weil sie damit erstmals auch im Winter vor das Berliner Publikum tritt. In dem – verglichen etwa mit dem „Sommernachtstraum“ – weniger bekannten Stück von Shakespeare aus dessen Spätwerk geht es um Verblendung, Verirrung und Versöhnung. Premiere ist am Mittwoch, 7. Januar, um 20 Uhr – und zwar dort, wo die Shakespeare Company auch im Sommer ihre Bühne hat: im Natur-Park Schöneberger Südgelände. In der dortigen Lokhalle hat man ein beheiztes Zelt für die Aufführungen eingerichtet.
■ Weitere Spieltermine sind im Januar jeweils von Donnerstag bis Sonntag, Karten gibt es für 15 bis 25 Euro. Weitere Information: www.shakespeare-company.de
Als wir zu Beginn der Probenarbeit das Stück erstmals zusammen lasen und nach den ersten drei Akten beschlossen, dass wir eine Pause brauchen, hatten wir schon eine Reise hinter uns, die ihresgleichen sucht. Alle hatten geheult, gelacht und waren tief beeindruckt von diesem Werk, das einen auf verschiedenen Ebenen so in den Bann zieht. Das Stück ist eine Liebeserklärung an das Leben und das Theater, wie sie schöner nicht sein könnte.
Die Themen haben nicht an Aktualität verloren?
Zum Beispiel glaubt Leontes, König Siziliens und einer der Protagonisten der Handlung, seine Frau, Königin Hermione, sei untreu gewesen. Es geht um die Angst, hintergangen worden zu sein, um die sehr existenzielle Angst vor Verlust. Ich bin sicher, dass das ein großes Thema ist, bei jedem – wie ich finde – befreienden Versuch, neue Beziehungsmodelle zu finden oder zu leben.
Gibt es Antworten in dem Stück, wie man mit dieser Angst umgehen kann?
Ja, letztendlich geht es um die bedingungslose Liebe, die jeden Hass und jede Angst auflöst.