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Archiv-Artikel

Hin und weg – mit gutem Gewissen

REISEN Für umwelt- und sozialverträgliche Standards würden viele zahlen, bislang passiert in der Praxis aber wenig

Bei großen Anbietern klafft eine große Lücke zwischen Auftritt und Realität

VON ANGELIKA FRIEDL

Nachhaltiger Tourismus fristet derzeit noch ein Nischendasein. Wenn man jedoch Umfragen glauben will, sind mehr als ein Drittel der Bundesbürger bereit, bei der Auswahl ihrer Reisen auf umwelt- und sozialverträgliche Standards zu achten. Sie würden sogar einen Aufschlag zwischen 7 und 20 Euro täglich zahlen, wie vor einigen Monaten der Deutschen Sparkassen- und Giroverband in einer repräsentativen Studie ermittelte.

Die meisten Urlauber wollten keine „sozial kontaminierten“ Reisen buchen, davon ist auch Heinz Fuchs, Leiter der Arbeitsstelle Tourism Watch des Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED), überzeugt. „Es betrifft sicherlich nicht die Mehrheit der Bevölkerung, aber es gibt ein großes Potenzial an interessierten Kunden.“ Tourismus bringt den Einheimischen zwar Geld, in vielen Fällen hat er aber auch mehr Schaden als Nutzen gebracht. In Ägypten und Tunesien vergrößerte er die Kluft zwischen Arm und Reich. Im Bundesstaat Kerala in Indien verbrauchen Wasserfreizeitparks so viel Wasser, dass an manchen Stellen der Grundwasserspiegel sinkt und die Felder kaum mehr bewirtschaftet werden können. Viele Träger auf dem weltberühmten „Inkatrail“ nach Machu Picchu schleppen zu einem Dumpinglohn das Gepäck der Touristen und tragen oft mehr als die gesetzlich vorgeschriebene Last von 20 Kilo auf dem Rücken.

Biourlaube und mit Ökosiegeln geschmückte Umweltreisen liegen im Trend. „90 Prozent dieser Angebote sind Mogelei“, meint jedoch Martina Hahn, Journalistin und Mitautorin des Buches „Fair einkaufen – aber wie?“. Eine Reise sei nicht schon deswegen nachhaltig, weil auf dem Hoteldach Solarzellen installiert sind oder im Restaurant regionale Produkte verzehrt werden. Tatsächlich spielen im sogenannten Ökotourismus soziale und ethische Probleme bisher kaum eine Rolle. „Nachhaltiger Tourismus ist zwar auch umweltverträglich, muss aber vor allem die Menschenrechte und die sozialen Aspekte beachten“, erklärt Fuchs. Diesen Zielen hat sich das Forum anders reisen verpflichtet, ein Verbund von 130 Veranstaltern. Alle Mitglieder müssen sich bewerten lassen, um das CSR (Corporate Social Responsibility) Siegel zu erhalten. Vergeben wird das Siegel von TourCert, einer Organisation, die unter anderem von der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde und dem EED getragen wird. „Das Siegel bietet Urlaubern eine verlässliche Orientierung“, lobt Martina Hahn. Einige der Kriterien: keine Flugreisen unter 700 Kilometern vom Heimatort entfernt, Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit, Höchstarbeitszeit von 48 Stunden in der Woche mit einem freien Tag, existenzsichernde Löhne und das Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Zertifiziert sind bis jetzt allerdings nur 41 Mitglieder des Forums. Ein anderes vertrauenswürdiges Label, so Fuchs, ist Travelife, das in Großbritannien entwickelt wurde.

Dass faire Reisen ein gutes Gewissen verschaffen, aber auch erheblich teurer sein können als „normale“ Reisen, zeigt ein Pilotprojekt deutscher und schweizerischer Reiseunternehmen. Mit „Südafrikas Gardenroute“ bringen sie diesen Herbst das erste vollständig nach den Regeln des fairen Handels zertifizierte Reisepaket auf den Markt, zertifiziert mit dem FTTSA-Siegel (Fair Trade in Tourism South Africa). Die Reise kostet knapp über 4.000 Euro, etwa 1.000 Euro mehr als vergleichbare Touren. Der hohe Preis ergibt sich unter anderem daraus, dass alle örtlichen Anbieter Verträge und faire Löhne erhalten – was in Südafrikas Reisebranche oftmals nicht üblich ist. Außerdem entrichten die Touristen den sogenannten Fairtrade-Aufschlag von 5 Prozent, der in soziale Maßnahmen geht wie zum Beispiel in die Ausbildung von Jugendlichen zu Tourismusfachkräften.

„Auch bei den großen Reiseveranstaltern wird Nachhaltigkeit langsam zum Thema“, sagt Experte Fuchs. TUI und auch Rewe Reisen haben ein Nachhaltigkeitsmanagement eingerichtet. Kritischer sieht die Journalistin Hahn die großen Anbieter: „Da klafft eine große Lücke zwischen Auftritt und Realität. Die schreiben ihre Nachhaltigkeitsberichte und dann ist gut“. Einschneidende Änderungen sind letztlich aber, weiß auch Heinz Fuchs, nur mit politischem Druck möglich.

Viel gewonnen wäre etwa, wenn die Nationalstaaten den Globalen Ethikkodex der UNWTO, der Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen, in nationales Recht umsetzen würden. Und tourismuskritische Organisationen fordern schon seit längerer Zeit, die UNWTO für alle vom Tourismus Betroffenen zu öffnen. Und nicht nur für jene, die sich die Mitgliedschaft leisten können.