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Archiv-Artikel

„Vertrauen schafft Profit“

MAMMON Die Preise für Rohkaffee sind höher denn je. Das führt bei den Produzenten des fairen Handels zu Verlockungen, die große Risiken bergen

Robin Roth

■ ist Geschäftsführer für den Bereich Partner & Produkte des Fairhandels-Unternehmens Gepa. Zuvor war er Berater für FLO (Fair Labelling Organization).

taz: Herr Roth, über viele Jahre ist der Kaffeepreis immer nur gesunken. 2002 lag der Preis für die Börseneinheit von 100 amerikanischen Pfund – also 45,36 Kilo – Rohkaffee bei 40 US-Dollar. Mittlerweile wird dieselbe Menge für 276 US-Dollar gehandelt. Warum?

Robin Roth: Kaffee ist nach Öl das zweitmeist gehandelte Produkt auf dem Weltmarkt. Die Krisen der vergangenen Jahren haben die Preise nach oben schießen lassen, weil viele Anleger ihr Geld im sicheren Kaffeesegment investieren. Durch Ernteausfälle wichtiger Kaffee produzierender Länder wie Brasilien und Kolumbien ist der Preis noch weiter gestiegen. Hinzu kommt, dass Kaffee in den letzten Jahren nicht nur in Europa, sondern auch in den USA zum Lieblingsgetränk avancierte. Dort wie hier sind ungezählte Cafés eröffnet worden, die sich auf Gourmetsorten spezialisiert haben. Zugleich führt wachsender Wohlstand in den Produzentenländern Afrikas und Südamerikas dazu, dass mehr Menschen dort Kaffee trinken.

Sind das gute Nachrichten, oder wird der faire Handel damit überflüssig?

Diese Entwicklung hat zwei Seiten. Bei niedrigen Preisen sind Kaffeebauern auf der ganzen Welt in ihrer Existenz bedroht. Nur wer an den fairen Handel verkaufen konnte, hatte vor Jahren die Chance, dem Preisverfall zu entgehen. Insofern geht es nun vielen Produzenten erst einmal besser. Aber an diesem Punkt drohen auch einige Gefahren: Insbesondere Produzenten des fairen Handels haben sich in den schweren Zeiten durch hohe Qualität – vor allem auch mit Biogarantie – behaupten können. Diesen besonders hochwertigen Kaffee zu produzieren macht viel Extraarbeit. Weil die Zwischenhändler im Moment auch für herkömmliche Qualität gut zahlen, wächst die Verlockung, zum konventionellen Anbau zurückzukehren.

Weniger Arbeit fürs gleiche Geld, wollen wir das nicht alle?

Aber so geht der mühsam erarbeiteten Biostatus verloren. Erst nachdem ein Feld drei Jahre lang ohne jede chemische Substanz bearbeitet wurde, darf seine Ernte als Bio klassifiziert werden. Wenn Kooperativen dann nicht mehr in der Lage sind, die vereinbarten Mengen Biokaffee zu liefern, laufen sie Gefahr, ihre Kunden zu verlieren. So gefährdet der womöglich nur kurzzeitig anhaltende Börsenboom den Bestand von Organisationen, die über Jahre das Überleben tausender Kleinbauern sicherten. In einigen Jahren werden die Preise mit großer Wahrscheinlichkeit wieder sinken – und was dann?

Wie reagieren die Produzenten bislang auf diese Verlockungen, wissen sie um die langfristige Gefahr?

Wir machen den 40 Genossenschaften, mit denen wir zusammenarbeiten, dieses Risiko bewusst. Das ist auch gar kein Problem. Hier profitieren wir von langjähriger, vertrauensvoller Zusammenarbeit. Unsere Kooperationspartner wissen, was sie vom gemeinsamen Engagement haben – auch langfristig. Weil insbesondere qualitativ hochwertiger Kaffee sehr gefragt ist, haben wir auch nach wir vor einen dynamischen Absatz, denn genau darauf haben wir uns schon lange spezialisiert. Was derzeit jedoch stagniert, ist das Wachstum des fairen Handels auf Produzentenseite: Da Fairtrade-Preise derzeit nicht wesentlich über dem Niveau des freien Marktes liegen, ist es schwierig, neue Partner unter den Kaffeebauern zu finden. Eine weitere spannende Frage: Wie sollen wir auf die große Nachfrage reagieren? Ob fairer Handel nur mit Kleinbauern oder auch mit Plantagen funktioniert, wird für Diskussionen sorgen.

INTERVIEW: LARS KLAASSEN