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Archiv-Artikel

Anwältin gegen die Todesstrafe

Wenn fast alle in den USA nach dem Henker rufen, behält Judy Clarke einen kühlen Kopf. Die 62-jährige Strafanwältin aus North Carolina ist auf die Verteidigung von „Monstern“ spezialisiert: darunter eine Kindermörderin und mehrerer Attentäter. Alle Frauen und Männer, die sie bisher verteidigt hat, sind der Todesstrafe entkommen.

Von Montag an wird Clarke um das Leben des 21-jährigen Dzhokhar Tsarnaev kämpfen, der als Bombenattentäter von Boston angeklagt ist. Die Bomben berühren den extrem dünnen Nerv der „nationalen Sicherheit“. Und für Tsarnaevs Beteiligung gibt es zahlreiche Indizien: Spuren im Internet und im Telefonnetz, Videoaufnahmen, seine eigenen Schriften und ein Geständnis.

Clarke sucht nicht das Rampenlicht und meidet Interviews. Aber schon jetzt zeichnen sich Teile ihrer Verteidigungsstrategie ab. Sie wird ihren Mandanten als jemanden zeichnen, der von seinem – im Schusswechsel mit der Polizei getöteten – älteren Bruder manipuliert worden ist. Und sie wird über seine Kindheit in einer aus Tschetschenien stammenden Einwandererfamilie sprechen. Über seinen Vater, der durch Folterungen gezeichnet war.

„Wir wollen nicht Ihre Sympathie gewinnen“, sagte Clarke vor 20 Jahren bei ihrer ersten Verteidigung einer scheinbar sicheren Todeskandidatin zu den Geschworenen: „Wir suchen Ihr Verständnis.“ Ihre damalige Mandantin Susan Smith hatte ihre beiden kleinen Söhne getötet. Nach dem Plädoyer verurteilte die Jury die Angeklagte zu lebenslanger Haft.

Später übernahm Clarke die Verteidigung von Terroristen wie dem „Unabomber“ Ted Kaczynski, der zwischen 1978 und 1995 Bombenattentate verübt hatte, dem Attentäter bei den Olympischen Spielen in Atlanta im Sommer 1996, Eric Rudolph, und dem antisemitischen Mörder Buford O. Furrow. Ihr letzter großer Fall war Jared Lee Loughner, der im Januar 2011 in Tucson sechs Menschen ermordete und die Kongressabgeordnete Gabrielle Giffords in den Kopf schoss.

Manche AnwaltskollegInnen nennen Clarke deshalb „Saint Judy“. DOROTHEA HAHN

Ausland SEITE 11