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Archiv-Artikel

Ministerin züchtet Zeitungsente

Familienministerin von der Leyen (CDU) verkündete nach den Ausschreitungen in Mügeln einen Zuschuss von 5 Millionen Euro für den Kampf gegen rechts – doch das Geld war schon zum Jahreswechsel und auf Drängen der SPD zugesagt worden

AKTIONEN UND AKTIONISMUS

Nach Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee hat auch SPD-Chef Kurt Beck Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) Versäumnisse im Kampf gegen Rechtsextremismus vorgeworfen. Die Ministerin habe das mit 19 Millionen Euro ausgestattete Regierungsprogramm gegen rechts zunächst nicht fortsetzen wollen und tue jetzt so, als ob sie es selbst erfunden habe, so Beck: „Das ist nicht in Ordnung.“

Der SPD-Chef unterstrich zudem seine Forderung nach einem erneuten Antrag für ein Verbot der rechtsextremistischen NPD. Damit stieß er bei Union und Opposition auf Skepsis. „Die NPD muss politisch bekämpft werden, weniger juristisch“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU). Ähnlich äußerten sich Grünen-Fraktionsvize Christian Ströbele und FDP-Generalsekretär Dirk Niebel.

Unterdessen hat die Polizei zwei weitere mutmaßliche Beteiligte der Hetzjagd in Mügeln ermittelt. Nähere Angaben zu den Perso- nen wollte die Polizei nicht machen. Gegen zwei 21 und 23 Jahre alte Männer laufen bereits Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen Landfriedensbruchs und Körperverletzung. Nach Angaben der Ermittler wurden bislang vierzig Zeugen befragt.RTR, AFP, AP

AUS BERLIN ASTRID GEISLER

Für den Bundestagsabgeordneten Niels Annen begann der gestrige Tag mit einer bösen Überraschung. Der SPD-Politiker mit dem Fachgebiet Rechtsextremismus musste einsehen: Er war einer Finte aufgesessen. Er hatte die von vielen Medien ins Land getragenen frohe Kunde geglaubt, die lautete: Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) spendiert weitere 5 Millionen Euro für ihr Bundesprogramm gegen rechts. Diese Meldung aber war eine Ente.

„Die Ministerin hat den Eindruck erweckt, es gäbe weitere Mittel für das Programm“, empört sich der SPD-Mann. „Die verbreiteten Agenturmeldungen sind von der Ministerin nicht dementiert worden. Das ist schon ein bemerkenswerter Vorgang.“ Von der Leyen habe damit die Öffentlichkeit getäuscht.

Wer die Nachrichten anschaute oder in die Presse blickte, musste in der Tat den Eindruck gewinnen, das Familienministerium baue als Reaktion auf die breite Kritik nun die Förderung aus. So verkündete „Tagesthemen“-Moderator Tom Buhrow: „Bundesfamilienministerin von der Leyen – sie stockt ihr Programm ‚Vielfalt tut gut‘ um weitere 5 Millionen Euro auf.“ Auch in der FAZ war gestern zu lesen, „dass der Bund seine Mittel zur Bekämpfung des Rechtsextremismus um 5 Millionen Euro aufstocken wolle“. Die „Republikaner“ gaben daraufhin sogar eine Pressemitteilung heraus, in der sie die „reflexhafte Verteilung von Steuermitteln an die ‚Anti-Rassismus-Industrie‘ “ anprangerten.

Die Falschmeldungen sind das Ergebnis eines Auftritts der Ministerin in Meseberg, der unter PR-Gesichtspunkten vermutlich Spitzenklasse war. Denn von der Leyen nutzte die Chance, sich vor laufenden Kameras auf die Schultern zu klopfen. Die Regierung nehme das Problem ernst, beteuerte sie: „Wir haben deshalb die Mittel aufgestockt um 5 Millionen Euro.“ Was die CDU-Frau nicht dazusagte: Diese Nachricht war uralt, der Beschluss kam zum Jahreswechsel, also lange vor dem Überfall in Mügeln. Und er kam erst auf Drängen der SPD zustande.

Die Folge: Auf der Suche nach einer knackigen Nachricht aus Meseberg liefen einige Reporter prompt in die Falle. Ganz vorne dabei die Nachrichtenagentur Associated Press (AP), die um 13.40 Uhr als erste die gute Nachricht meldete: „Von der Leyen stockt Mittel gegen Rechtsextremismus auf.“ Berichtigt wurde diese Nachricht nicht. Dies sei, im Nachhinein betrachtet, ein „handwerklicher Fehler“, räumte der stellvertretende AP-Chef Thomas Rietig gestern ein. Das Familienministerium habe zwar bereits am Donnerstagnachmittag auf das Missverständnis hingewiesen – allerdings keine explizite Berichtigung verlangt. So habe man einfach die nachfolgenden Meldungen zu dem Thema anders formuliert.

Merkwürdig nur, dass den Kollegen bei der Deutsche Presse-Agentur (dpa) wie auch bei Agence France-Presse (AFP) sehr wohl dünkte, dass von der Leyen kalten Kaffee eingeschenkt hatte. Beide Redaktionen ersparten sich die Ente – mit einem Anruf im Bundesfamilienministerium. Er habe sofort versucht, „diese Geschichte einzufangen“, versichert von der Leyens Sprecher. „Mein Ohr glüht jetzt noch vom vielen Telefonieren.“ Dass die Ministerin falsch verstanden wurde, sei nicht ihre Schuld.

„Von der Leyen hat sich mit Geld geschmückt, das sie verweigert hat“

Die Bundestagsabgeordnete Monika Lazar (Grüne), die ebenfalls auf die Meldung hereinfiel, will das so nicht stehen lassen. „Was Frau von der Leyen sich geleistet hat, ist ein Skandal“, findet sie. Schließlich habe die Ministerin sich mit Geld geschmückt, das sie selbst über Monate verweigert habe. „Diese 5 Millionen Euro mussten wir Frau von der Leyen hart abtrotzen.“ Die Ministerin habe zudem verschwiegen, dass die Bundeszuschüsse in den nächsten Jahren sinken sollen, ergänzt Friedemann Bringt, Koordinator der Beratungsteams gegen rechts in Sachsen.

Fragwürdig finden Fachleute auch die Erklärung der Ministerin, Mügeln solle nun nachträglich noch Geld für einen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus bekommen. Die Region hatte sich – wie mehr als hundert andere Kommunen bundesweit – vergeblich um eine Förderung aus dem Bundesprogramm beworben. „Bei aller Freude für die Region – Mügeln ist ja nicht das einzige Problem“, sagt Bringt. Der Fall mache eigentlich nur das Problem der neuen „Leuchtturmförderung“ gegen rechts deutlich. „Die Botschaft darf nicht heißen: Man muss erst Ausländer durch den Ort jagen, damit man Geld bekommt“, warnt die Grünen-Frau Lazar.

SPD-Politiker Niels Annen fordert nun von der Ministerin, tatsächlich weitere 5 Millionen Euro bereitzustellen. Wenigstens das sei sie denen schuldig, die sich vor Ort gegen Rechtsextremismus einsetzten.

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