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Archiv-Artikel

Berliner Bankenskandal bleibt straffrei

UNGESÜHNTE VERBRECHEN Die Milliardenverluste der Berliner Bankgesellschaft brachten im Jahr 2001 den Landeshaushalt in eine Notlage und stürzten die CDU-Regierung. Jetzt wurde das Strafverfahren eingestellt – ein konkreter Schaden war nicht nachzuweisen

2,9 Milliarden Euro zahlte das Land Berlin, um die landeseigene Bank zu retten

VON SEBASTIAN HEISER

BERLIN taz | Der Hauptverantwortliche für den Berliner Bankenskandal kommt straffrei davon: Der Prozess gegen Klaus-Rüdiger Landowsky ist eingestellt. „Die etwaige Schuld ist gering und ein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung besteht nicht mehr“, so Gerichtssprecher Tobias Kaehne.

Landowsky war in den Neunzigerjahren der mächtigste Mann der Berliner CDU, er war Vorsitzender der Regierungsfraktion im Abgeordnetenhaus, er saß bei den Senatssitzungen des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU) mit am Tisch – und er war Vorstandsvorsitzender der landeseigenen Berlin Hyp. Seine Fehlentscheidungen als Bankchef offenbarten 2001 einen Milliardenschaden, der den Haushalt Berlins in Notlage brachte, die Regierung stürzte und Klaus Wowereit (SPD) ins Rote Rathaus verhalf.

Die juristische Aufarbeitung zog sich über mehrere Instanzen. Alle Gerichte stellten fest, dass Landowsky und seine Bankvorstandskollegen ihre Pflichten bei einer Kreditvergabe erheblich verletzt und die internen Bankregeln gebrochen hatten. Diese schrieben zum Beispiel vor, dass ein Ausschuss aus vier Aufsichtsratsmitgliedern über größere Kredite entscheiden muss. Doch Landowsky und die anderen Vorstände missachteten diese Vorgabe – und entschieden selbst.

Kredite in Höhe von 810 Millionen Mark erhielt allein das Unternehmen Aubis, das damit mehrere Plattenbausiedlungen in Ostdeutschland kaufen, sanieren und weiterverkaufen wollte. Doch bei einem Teil der Kredite waren die Unterlagen, die zur Bonitätsprüfung eingereicht wurden, völlig unzureichend. Die finanziellen Verhältnisse der Aubis-Eigentümer wurden überhaupt nicht geprüft. Damit brachen Landowsky und die anderen Vorstände die Vorgaben des Aktiengesetzes, so die Gerichte.

Ob die Kreditvergabe an Aubis damit zu tun hatte, dass Landowsky persönlich eine Parteispende über 40.000 Mark in bar von den Geschäftsführern dieses Unternehmens erhielt, konnte nicht bewiesen werden. In den Rechenschaftsberichten der CDU tauchte diese Spende jedenfalls nie auf.

Strafrechtlich gesehen lautete der Vorwurf, Landowsky habe das Geld der Bank veruntreut. Der Straftatbestand ist aber nur unter zwei Voraussetzungen erfüllt: Erstens muss der Täter eine Pflichtverletzung begehen – das war Landowsky angesichts der Verstöße gegen Bankregularien und Aktiengesetz problemlos nachzuweisen.

Zweitens muss allerdings ein Schaden nachgewiesen werden. Und zwar nicht der Gesamtschaden am Ende – also die 2,9 Milliarden Euro, die das hochverschuldete Berlin aus dem Landeshaushalt zur Rettung der Bankgesellschaft beisteuerte plus die Landesgarantien im Falle weiterer Verluste von bis zu 21,6 Milliarden. Stattdessen musste für jede einzelne Kreditentscheidung ein konkreter einzelner Schaden bewiesen werden. Und hier hatten die Gerichte verschiedene Rechenmethoden.

Das Landgericht berechnete als Schaden den Betrag, der nicht durch Sicherheiten gedeckt war, und verurteilte Landowsky im März 2007 zu einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung. Der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil im Dezember 2008.

Doch das Bundesverfassungsgericht erklärte die Berechnung im Juni 2010 für verfassungswidrig und gab den Fall ans Landgericht zurück mit dem Auftrag, den Schaden neu zu kalkulieren anhand der „banküblichen Bewertungsverfahren“ mit „Hinzuziehung eines Sachverständigen“. Und siehe da: Wenn man den Kredit nach den Bewertungsmethoden der Banken berechnet, dann war durch den Vertragsabschluss gar kein Schaden entstanden. Das Landgericht stellte daher jetzt das Verfahren ein, die strafrechtliche Aufarbeitung des Skandals ist beendet.

Als Reaktion auf die Entscheidung des Verfassungsgerichts hatten die Justizminister der Länder bereits 2011 eine Verschärfung des Strafrechts gefordert: Eine gravierende Pflichtverletzung von Bankmanagern sollte bereits für sich genommen strafbar sein. Doch weder die schwarz-gelbe noch die schwarz-rote Koalition auf Bundesebene griffen diese Initiative auf.