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■ Pourquoi Israël, Warum Israel, Israel/Frankreich 1973, R: Claude Lanzmann (gk) Dies ist ein außergewöhnlicher Dokumentarfilm. Nicht nur durch seine Dauer von 195 Minuten. Nicht nur durch die vielfältigen Zugänge zu ganz unterschiedlichen Israelis. Nicht nur, weil es der erste Film des Regisseurs von „Shoah“ ist. Sondern weil hier ein französischer, radikal linker Intellektueller, der in der Résistance gegen die Deutschen Besatzer gekämpft hat, der sich mit Jean Paul Sartre und vielen Anderen gegen den Algerienkrieg engagiert hat, Aufklärung versucht darüber, was Israel ist.
Und warum es ist, sein muss. Lanzmann kommt 1972 aus Frankreich nach Israel und fragt, was Normalität sein kann in einem Staat, der durch die Geschichte seiner BürgerInnen ein Ausnahmestaat ist, ein Zufluchtsort für alle, die als Juden verfolgt werden. Ein Staat, der zur Zeit des Filmdrehs gerade mal seit 24 Jahren existiert. Dabei macht Lanzmann transparent, dass er als Jude aus der Diaspora auf Israel schaut: Durch die Art, wie er Fragen stellt, wie er Anteil nimmt an den Problemen von neu eingewanderten Israelis, die aus der Sowjetunion kommend am Flughafen von der Einwanderungsagentur empfangen werden und sich hinein finden müssen in die zugeteilten Wohnorte, die Arbeitssuche, den Alltag.
Eine Schulklasse wird gefilmt beim Besuch der Gedenkstätte Yad Vashem, ihre Reaktionen auf das Gesehene. Manche Kinder stehen lange vor einer einzelnen Tafel, versuchen zu Begreifen: „Warum haben sie uns Juden gehasst?“ Die Kinder sammeln sich am Schluss des Gedenkstättenbesuches, fangen von sich aus an zu diskutieren.
Aber Israel besteht aus viel mehr als der Erinnerung. Lanzmann fragt Menschen aus unterschiedlichen sozialen Klassen und Milieus. So im Hafen von Ashdod den Hafenarbeiter Jacques Barkat, ob es denn keine Streiks gibt. Mehrere junge Kibbuzim zeigt er in einer Gesprächsrunde, wie sie sich mit dem Widerspruch auseinandersetzen, dass Israel als Land sich nicht hin entwickelt zu der sozialistischen, egalitären und freien Gesellschaft, als deren Keimzelle sie ihren Kibbuz verstehen.
Ein wirklich cooles Interview ist Lanzmann mit einigen Angehörigen der israelischen Schwarzen Panther gelungen. Ihre Bewegung stellen sie vor, in Anlehnung an die Black Panther in den USA, als Selbstorganisierung gegen ihre Diskriminierung als orientalische Juden. Warum Israel ist kein platter Propagandafilm, sondern zeigt die Vielfalt und Widersprüchlichkeit jüdischen Lebens in Israel. Die Aufnahmen der zwei erfahrenen Kameramänner ergänzen sich gut mit dem Regisseur, der neugierig und voller Empathie die Fragen eines französischen linken Juden stellt. So ist eine Dokumentation über Israel entstanden, die heute immer noch fesselnd anzuschauen ist. Zu sehen jetzt im Rahmen der Filmreihe „Breaking the… what?“, welche Die Untüchtigen immer Mittwochs im neuen Golem veranstalten.
Der Film läuft am Mittwoch um 20 Uhr im Golem in Hamburg,Große Elbstraße 14