: Magdeburg wartet auf dich
Mitte Januar heißt es „Blockade – die zarteste Versuchung, seit es Gegenwehr gibt“ – eigentlich. Denn die Nazis, die wir blockieren wollen, lassen nichts von sich hören
■ Anreise Tickets für die gemeinsame Anreise aus Berlin gibt es hier: k-fetisch, Wildenbruchstraße 86, Neukölln, und in der Meuterei, Reichenberger Straße 58, Kreuzberg busanreisemd.blogsport.eu ■ Freitag, 16. Januar „Entschlossener Antifaschismus bleibt legitim und notwendig! Die Angriffe von Staat und Nazis zurückschlagen!“Antifaschistische Demo, 19 Uhr, Hauptbahnhof entschlossenhandeln.blogsport.de
Der Naziaufmarsch in Magdeburg gehört zu den größten Mobilmachungen der Rechten in Nachkriegsdeutschland. Seit 1998 sammeln sich rund um den 16. Januar Personen, zuletzt an die 800, die explizit und ausschließlich den deutschen Opfern des Zweiten Weltkriegs zu gedenken vorgeben. Wegen Magdeburgs Produktionsstätten „kriegswichtigen“ Treibstoffes aus Braunkohle sowie der ansässigen Rüstungsindustrie kam es vor 70 Jahren zur Bombardierung der Stadt – darauf beriefen sich die Aufmarschierenden in den vergangenen Jahren mit ihrem „Trauermarsch“. Dieser wurde zuletzt angemeldet von der „Initiative gegen das Vergessen“, die für ein „ehrenhaftes Gedenken statt Anpassung an den Zeitgeist“ stehen will, und doch nur Geschichtsrevisionismus betreibt.
Die Magdeburger setzen in den letzten Jahren mit der „Meile der Demokratie“ ein friedliches Zeichen dagegen. Alles, was aktiv ist in der Stadt, ist auch dort vertreten – von Initiativen über Vereine bis hin zu Schulen und Parteien. Insgesamt birgt diese dialogorientierte Veranstaltung aber eher Vergleichsmöglichkeiten mit einem Volksfest als mit direkter Aktion. Infostände und Bühnen sowie Bratwürste prägen das Bild.
Parallel gab es unangemeldete Proteste: Demonstrationen, Blockaden und Blockadeversuche, an denen sich auch Menschen aus dem bürgerlichen Spektrum beteiligten. Im diesjährigen Aufruf von „Entschlossen handeln“ zur antifaschistischen Demo, die bewusst unangemeldet bleiben soll, wird kritisiert, dass die „Meile der Demokratie“ es der Polizei leicht mache, gegen alle Menschen vorzugehen, die sich abseits dieser städtischen Veranstaltungen befinden. So würde regelrecht zwischen „guten und schlechten“ Antifaschist*innen unterschieden, wenngleich es aller gemeinsames Interesse ist, sich den Faschisten und deren menschenverachtender Ideologie in den Weg zu stellen.
Die Gründe für die ausbleibende Anmeldung liegen nach Erklärung der „schlechten“ Antifaschist*innen zum einen in der Verstrickung der staatlichen Organe in den NSU-Skandal und in der fortwährenden Kriminalisierung der antifaschistischen Aktivist*innen. Kurz: Mit dem Staat kann kein gemeinsamer Kampf gegen die Nazis geführt werden, denn er ist Teil des Problems.
Seit 2012 wurde verstärkt gegen den Aufmarsch mobilisiert, auch bundesweit. Auch für diesen Januar kündigten sich bereits Aktive aus allen Windrichtungen an. Doch nun stockt die Mobilisierung. So meldet nun etwa die Aktion „Stuttgart goes Magdeburg“, dass es aufgrund von Mobilisierung in der eigenen Umgebung (Stichwort Pegida) sowie der Unklarheit über die Ereignisse in Magdeburg keine Busse nach Sachsen-Anhalt geben werde. Einzelne würden dennoch mit dem Auto hinfahren.
Denn obwohl die Rechten behaupteten, den Marsch den Verstorbenen schuldig zu sein und in den sozialen Medien von seiner wachsenden Bedeutung schrieben, liegt bis heute nach Kenntnis der Antifaschist*innen von „Magdeburg Nazifrei“ keine Anmeldung einer Versammlung vor. Andy Knape, früherer Vorsitzender der Jungen Nationaldemokraten, der Jugendorganisation der NPD, galt in den letzten Jahren als Anmelder des rechten Aufmarschs. Nachdem die NPD im August knapp an der 5 Prozent Hürde zur Wahl in den Sächsischen Landtag scheiterte, verschwand er von der Website des NPD-Bundesverbandes.
Seine Person ist aber nicht entscheidend für die organisatorische Struktur der Rechten insgesamt. Niemand wird ernsthaft erwägen, sich wegen eventueller (wenn auch begrüßenswerter) parteiinterner Zerwürfnisse oder Zerfallserscheinungen entspannt zurück zu lehnen.
Vielmehr stellt sich nun die Frage, womit sich das Vakuum um den 16. Januar füllen wird: Wird es beim Alten bleiben; eine lediglich unangemeldete Versammlung der Gröfaz-Bewunderer geben? Werden sie sich gar mit dem „Pegida“-Ableger „Magida“ zum Spaziergang verbünden? Aktive von „Magdeburg nazifrei“ weisen darauf hin, dass rechte Akteure vor Ort mit den Ablegern der „Pegida“-Bewegung zu schaffen haben und deshalb derzeit sehr genau abwägen, worauf sie sich konzentrieren. Klar ist: Akzeptanz gegenüber Nazis und deren Handlungen schafft günstige Bedingungen für deren Gedeih. Kommt es auch in den nächsten Tagen zu keiner Anmeldung der Rechten, wird trotzdem weiter nach Magdeburg mobilisiert; es wird ein Plan B bekannt gegeben.
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