: Shell entschädigt endlich
NIGERIA I Über sechs Jahre nach der Katastrophe von Bodo will der Ölkonzern umgerechnet 70 Millionen Euro ins Nigerdelta überweisen. Ein Teil geht an 15.600 betroffene Fischer
VON KATRIN GÄNSLER
BERLIN taz | Es ist eine überraschende – und gleichzeitig strategisch clevere Einigung. Umgerechnet 70 Millionen Euro will Shell dem Ort Bodo im Nigerdelta als Wiedergutmachung für die Ölkatastrophe von 2008 zahlen. Damals waren mehrere Wochen lang tausend Barrel Öl ausgetreten. Wegen der massiven Verseuchung kann ein Großteil der Bevölkerung bis heute weder fischen noch Ackerbau betreiben – die eigentlichen Haupteinnahmequellen der Region im Südosten Nigerias.
Untätig sind die Menschen von Bodo aber nicht geblieben: Mithilfe des britischen Anwalts Martyn Day kämpften sie um Entschädigung – spektakulär und bisher einzigartig. Shell reagierte stets zähneknirschend und versuchte, die Bewohner des Nigerdeltas für die Ölaustritte verantwortlich zu machen. Immer wieder hieß es in Pressemitteilungen: Das Öl sei durch illegal angezapfte Pipelines ausgetreten. Wohl auch aufgrund des internationalen Drucks war aber längst klar, dass das Unternehmen entschädigen muss. Dass die Einigung gerade jetzt erfolgt ist, dürfte für Shell einen strategischen Grund haben: Nach mehreren Verhandlungen sollte 2015 ein Gerichtsprozess folgen, den Shell mit der außergerichtlichen Einigung vermeiden kann.
Seit Langem waren die Anschuldigungen erdrückend, ein Sieg des Konzerns wirkte unrealistisch. Kräftig nachverhandelt hat wohl aber auch Rechtsanwalt Day. Noch vor wenigen Monaten wollte Shell gerade mal die Hälfte der Summe zahlen. „Lachhaft“ nannte der Jurist die angebotenen 35 Millionen Euro. Nun fließt das Doppelte an 15.600 betroffene Fischer sowie die Kommune. Erstere erhalten insgesamt 44,5 Millionen Euro. In die Gemeinschaftskasse von Bodo fließen die restlichen 25,5 Millionen Euro. Außerdem sollen nun die Aufräumarbeiten in Bodo beginnen. Einen „lang erwarteten Sieg für Tausende Menschen“ nennt Audrey Gaughran, Leiterin des Bereichs Globales bei der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die Einigung. Gleichzeitig kritisiert sie: Es hätte nicht sechs Jahre dauern dürfen.
Der Fall Bodo ist spektakulär und brisant, aber nur ein Beispiel für die Umweltverschmutzung im Nigerdelta. Vielerorts tritt hier Öl aus den Pipelines aus. Auch das Abfackeln von Gas beeinträchtigt die Gesundheit der Menschen massiv. Nicht nur auf Shell könnte deshalb bald eine ganze Klagewelle zurollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen