: „Versehentlich“ falsch gehandelt
Heftiger Streit über Abschlussbericht zur Protokollaffäre des Senats gestern Abend in der Bürgerschaft. Rot-Grün hält Sozialsenatorin Schnieber-Jastram und Senatskanzleichef Schön für unglaubwürdig. CDU findet alles halb so wild
Die Protokollaffäre des Senats ist seit gestern offiziell bewältigt. Die Bürgerschaft nahm den Abschlussbericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) „zur Kenntnis“. Dieser sollte – einzigartig in der bundesdeutschen Parlamentsgeschichte – die illegale Versendung vertraulicher Akten eines anderen Untersuchungsausschusses, des PUA Feuerbergstraße, an die Senatskanzlei, die Sozial- und die Justizbehörde klären. Als potenzielle Zeugen oder Beschuldigte hätten deren MitarbeiterInnen und vor allem SenatorInnen und Staatsräte diese Unterlagen nicht erhalten dürfen.
Über die Ergebnisse der anderthalbjährigen Arbeit des PUA gibt es zwei Meinungen, wie die Debatte am Abend erneut bestätigte. Nach Ansicht der CDU-Mehrheit haben in dem Skandal, der Justizsenator Roger Kusch (CDU) und den Staatsrat der Sozialbehörde, Klaus Meister (SPD), ihre Ämter kostete, fünf Personen gegen das Recht verstoßen.
Drei MitarbeiterInnen der Bürgerschaftskanzlei, welche die Protokolle versendeten, handelten demnach „versehentlich“ fehlerhaft. Die Oppositionsabgeordneten Christiane Blömeke (GAL) und Thomas Böwer (SPD) hingegen hätten dagegen mit Vorsatz in Pressemitteilungen aus vertraulichen Akten zitiert, um über die Medien auf den Senat „Druck“ auszuüben.
Rot-Grün sieht die Affäre ganz anders: Bürgermeister Ole von Beust habe „scheinheilig“ agiert, Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram hätte wegen „Inkompetenz“ oder „unwahrer Aussagen“ ebenso entlassen werden müssen wie Beusts Senatskanzleichef Volkmar Schön (alle CDU) wegen einer „Täuschung von Parlament und Öffentlichkeit“.
Die Sozialsenatorin hatte stets behauptet, von der Existenz der geheimen Unterlagen in der Chefetage ihrer Behörde nichts gewusst zu haben. Dabei hatten sechs ihrer engsten MitarbeiterInnen Kenntnis davon. Rot-Grün findet die Aussage der Senatorin „nicht glaubwürdig“ und vermutet, dass Staatsrat Meister zum „Bauernopfer“ gemacht wurde.
Schön hatte vor dem PUA zugegeben, vertrauliche Informationen an Bild gefaxt zu haben. Es handelte sich um Meisters Behauptung, Böwer habe ihn erpressen wollen. Belegt wurde diese Aussage bis heute nicht. Der SPD-Abgeordnete wehrte sich mit zwei Eidesstattlichen Versicherungen. Aus Sicht der Opposition hat Schön einen „politischen Rufmord“ beabsichtigt und hätte deshalb entlassen werden müssen. Bei Schnieber-Jastram und Schön jedoch habe von Beust „nicht die Maßstäbe angelegt“ wie an Kusch und Meister.
Über einen Punkt sind sich die Fraktionen einig. Die Vorschriften über den Umgang mit vertraulichen Akten sollen konkretisiert und die Rechtskenntnis der MitarbeiterInnen verbessert werden. SVEN-MICHAEL VEIT