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Archiv-Artikel

Wenn der Herd nach unten sinkt

In Europas einziger Musterwohnung können Kleinwüchsige in Bremen geeignetes Mobiliar testen

Wenn Christine Behrens daheim für Freunde kocht, muss sie auf einen Hocker steigen. Sie ist nur 1,30 Meter groß, ein Standardherd ist für sie nicht zu bedienen. In einer Bremer Testwohnung aber senkt die kleinwüchsige junge Frau die Küchenzeile einfach mit einem Knopfdruck auf ein bequemes Niveau herab.

Nach Angaben des Bundesverbandes Kleinwüchsige Menschen zählen Erwachsene mit Körpergrößen zwischen 70 und 150 Zentimetern zu den Betroffenen. Rund 100.000 leben in Deutschland und müssen im Alltag viele Hürden überwinden. „In manchen Straßenbahnen komme ich nicht an die Halteknöpfe, und Parkautomaten kann ich nicht benutzen“, sagt die Bürokauffrau, die mit einem Auto mit Pedalverlängerung zur Arbeit fährt.

Die nach Verbandsangaben einzige Testwohnung ihrer Art in Europa ist dabei nicht nur zur Anschauung gedacht. Für 30 Euro pro Tag vermietet der Verband die drei Zimmer samt Küche und Bad, die zum Teil mit behindertengerechtem Standardmobiliar ausgestattet ist. „Beim Probewohnen können sie herausfinden, welche der verfügbaren Lösungen ihnen individuell helfen“, erklärt Jérôme Ries, Mitarbeiter des Verbandes. Bodentiefe Fenster sorgen für eine unverstellte Sicht, Lichtschalter und Türgriffe sind extra niedrig angebracht. Das Handwaschbecken im Bad lässt sich auf Knopfdruck hinauf- und hinunterfahren, der Spiegel klappt per Handzug nach vorn.

Ein Clou ist die in einer Hamburger Behindertenwerkstatt entwickelte Küchenlösung, in der Groß und Klein gleichermaßen gut zurecht kommen. Wandschränke sacken elektrisch an Schienen auf bequeme Höhe. Die Arbeitsplatte lässt sich von 85 auf 60 Zentimeter absenken. Das Ceran-Kochfeld sowie die Spüle wurden weit vorn in die Platte eingelassen, so dass sie leicht zu erreichen sind. Die Küche allein kostet allerdings rund 10.000 Euro.

Auch im Wohnzimmer neue Ideen: Die Rückenlehne des Sofas ist nach vorn versetzt. Die Kleiderstange lässt sich mit einem Greifarm nach unten aus dem Schrank mit Normalmaß herausziehen. Eine Lösung, die Behrens erst in der Musterwohnung entdeckte: „Ich habe nie gewusst, was es alles gibt“, sagt die Tochter normal großer Eltern.

Ende September wird das Haus eingeweiht. Dann ist auch die Wohnung zu mieten. Behrens mag das Bad nicht wirklich leiden, weil es so behindertengerecht sei. Die höhenverstellbare Küche aber hätten sie gern. dpa