OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Sich auf ein paar Zeilen zu vermeintlich allgemeingültigen Thesen über Jean Renoir hinreißen zu lassen, sollte man lieber gar nicht erst versuchen. Vielleicht nur so viel: Renoirs Filme waren stets von tiefem Humanismus geprägt. Und wer sich für den französischen Regisseur interessiert, hat bei einer umfangreichen Retrospektive im Arsenal die Gelegenheit, sich dessen vielfältiges, von märchenhaften Stummfilmen über Gesellschaftssatiren bis zu Literatur- und Theaterverfilmungen reichendes Werk anzusehen. Eröffnet wird die Reihe mit Renoirs Spätwerk „Le Déjeuner sur l’Herbe“ (1959), einer Farce, die tagesaktuelle Themen der späten 1950er-Jahre aufgreift: Der Biologe Etienne Alexis (Paul Meurisse) hat die Veredelung der menschlichen Rasse durch Auswahl des Erbmaterials und künstliche Befruchtung im Sinn. Außerdem möchte er Präsident des vereinigten Europas werden und seine deutsche Cousine, die adelige Vorsitzende einer Pfadfindervereinigung, heiraten. Natürlich klappt nichts davon: Als Etienne bei einem Picknick die hübsche Bauerntochter Nénette kennen lernt, hat sich die Sache mit der künstlichen Befruchtung ein für alle Mal erledigt. Das Ganze ist ein fröhlicher und ziemlich anarchischer Spaß, bei dem die Natur auf ganzer Linie siegt. Zumal Renoir endlich auch die Gelegenheit fand, die Landschaft von Les Collettes zu filmen, die sein Vater so häufig gemalt hatte.

Eine Retrospektive bietet auch das Zeughauskino: Begleitend zur Karl-May-Ausstellung im Deutschen Historischen Museum zeigt das Kino in den kommenden zwei Monaten sowohl Filme, die nach Werken des sächsischen Fabulierers entstanden, als auch Artverwandtes wie die Defa-Indianerfilme oder Syberbergs Karl-May-Porträt mit Helmut Käutner in der Titelrolle. Die unbestreitbar populärsten und besten May-Filme entstanden Anfang der 1960er Jahre, als dem achtbaren Regie-Handwerker Harald Reinl mit „Der Schatz im Silbersee“ und den Filmen der „Winnetou“-Trilogie solide Western gelangen, die Action mit Humor verbanden und auf eine ungebrochene Darstellung von Mythen des amerikanischen Westens setzten. Auch die Besetzung der Hauptrollen erwies sich als Glücksgriff: Lex Barker als selbstgefälliger Old Shatterhand, Pierre Brice als edler Häuptling Winnetou und Stewart Granger als ironischer Old Surehand wussten in den professionell gemachten und überaus erfolgreichen Unterhaltungsfilmen zu überzeugen.

Eine nette Idee setzt der Österreicher Georg Misch in seiner Dokumentation „Calling Hedy Lamarr“ (2004) um: Der Regisseur begleitet Lamarrs Sohn Anthony Loder bei Recherchen für ein Filmprojekt über den Hollywoodstar und montiert die Aufnahmen von Loders Gesprächspartnern wie eine große Telefonkonferenzschaltung. Das erscheint umso schlüssiger, als Hedy schließlich selbst nur allzu gern telefonierte, ihre Erfindung eines Torpedoleitsystems, der so genannte ständige Frequenzwechsel, heute in jedem Handy steckt und Anthony Loder seinen Lebensunterhalt tatsächlich mit dem Verkauf von Telefonen verdient … LARS PENNING

„Le Déjeuner sur l’Herbe“ (Om engl. U): 1. 9. im Arsenal 1

„Der Schatz im Silbersee“: 1. 9., 4. 9.; „Unter Geiern“: 1. 9.–2. 9. im Zeughauskino

„Calling Hedy Lamarr“ (OmU): 4. 9. im Z-inema