Von Übervätern und Wiederholungstätern

FARBE IM FLUSS 20 Jahre nach seiner Gründung sieht sich das Bremer Sammlermuseum Weserburg konsolidiert – und feiert mit einer Ausstellung, die Farbe als Material durchdekliniert

Die Weserburg, Museum für moderne Kunst in Bremen, wurde am 6. September 1991 als erstes Sammlermuseum Europas offiziell eröffnet.

■ Das Museum bekommt heute einen Jahresetat von 1,1 Millionen Euro und ist damit strukturell unterfinanziert. Ausstellungs- und Programmetats müssen privat aufgebracht werden.

■ Die Besucherzahlen waren in den ersten 14 Jahren unter Gründungsdirektor Thomas Deeke stets sehr übersichtlich. 2010 kamen etwa 35.000 BesucherInnen. 2007, als die Weserburg kurz nach dessen Tod Jörg Immendorff zeigte, kamen rund 50.000, Helmut Newtons Fotos nackter Frauen zogen 2008 sogar über 60.000 Menschen an.

■ Die umstrittene Versteigerung von Gerhard Richters „Matrosen“ brachte 2010 auf einer Auktion 8,5 Millionen Euro ein, weitere 1,5 Millionen Euro kamen bei der Versteigerung eines Franz-Gertsch-Bildes dazu. Zudem hat das Museum 53 Werke der Bremer Kunsthalle übergeben und dafür dank einer örtlichen Stiftung einen unbekannten siebenstelligen Betrag bekommen.

VON JAN ZIER

Wenn zuletzt von der Bremer Weserburg die Rede war, also überregional, dann ging es meist nur am Rande um die Kunst und stattdessen um Geld. Es ging um spektakuläre Versteigerungen und Verkäufe des zwar rudimentären, doch wertvollen eigenen Bestandes, mit denen das Bremer Museum für moderne Kunst sich selbst retten musste. Jetzt ist das erste Sammlermuseum des Landes 20. Und sieht sich – einmal mehr – konsolidiert. Und will wieder vor allem über Kunst reden.

„Farbe im Fluss“ heißt die Schau zum eigenen Jubiläum, die geschickt große Namen streut, aber der ebenso gängigen wie naheliegenden Versuchung widersteht, allzu offensichtlich auf deren Zugkraft zu setzen. Eine Ausstellung, die sich präzise, tiefschürfend an der Frage abarbeitet, auf welche Weise man Farbe als Material nutzen und verstehen kann. Auf Kunst, die eine wie auch immer geartete illusionäre Wirklichkeit abbildet, wird konsequent verzichtet. Stattdessen referiert die Ausstellung solide den abstrakten Expressionismus als historischen Meilenstein der Nachkriegskunst, versucht aber zugleich irgendwie, den Anschluss an ganz aktuelle Kunstproduktionen zu wahren.

Dabei gibt sie sich nur wenig Mühe, neue, kunstfremde Besucherschichten erschließen zu wollen. Richtet sich vielmehr vor allem an ein arriviertes Bildungsbürgertum, jedenfalls an Menschen mit einschlägigen Vorkenntnissen. Immerhin: „Wenn man nichts weiß, hat man auch keine Probleme“, sagt Peter Friese, Kurator der Ausstellung und stellvertretender Direktor des Hauses.

Mit Jackson Pollock fängt hier alles an. Friese nennt ihn einen „Übervater“ der Malerei, zu Lebzeiten wurde er „als größter lebender Maler“ mindestens der USA gefeiert und 2006, genau 50 Jahre nach Pollocks Tod, wurde eines seiner „Action Paintings“ für den Rekordpreis von 140 Millionen Dollar verkauft. Pollocks Bilder sind wilde Farbexplosionen, scheinbar zufällig auf die Leinwand gespritzt. Sie sind in jeder Hinsicht anti-malerisch, eine Abkehr vom Verstandesmäßigen und meist unter dem Einfluss fragwürdiger Substanzen entstanden. Sie begründeten einst den abstrakten Expressionismus, wurden im Kalten Krieg als „Aushängeschild“ für den „freien Westen“ funktionalisiert – und sind eben jener Zeit verhaftet, in der sie entstanden sind.

Friese aber sucht quer durch Raum und Zeit nach Spuren und Referenzen dieses konzeptuell-experimentellen Ansatzes. Und findet zum Beispiel Andy Warhol: Der machte sich mit seinen „Oxidation Paintings“ genannten Pissbildern über Pollock lustig. Oder Max Ernst, der, obwohl regelmäßig als Surrealist subsumiert, eine ganz ähnliche Idee hatte wie Pollock – nur viel früher. Mit dem Unterschied, dass Pollock auf sein eigenes ekstatisches Ego setzt, Ernst eher auf eine semi-automatische Bildproduktion. Und neu war die Idee schon bei Ernst nicht mehr, weil sie sich im Grunde schon am Rande von Renaissance-Bildern wiederfindet. Was zwar nicht die Ausstellung, aber der Katalog dazu belegt.

Am anderen, dem zeitgenössischen Ende der Skala stehen Ai Weiweis glänzend schwarze „Oil Spills“, die wage auf Umweltverschmutzung verweisen, aber auch auf chinesisches Porzellan. Oder Gerhard Richters neuere Hinterglasbilder, die „Bagdad“ heißen, aber vom Zufall leben, der die Illusion eines Bildes vermittelt. Zu Richter hat die Weserburg neuerdings eine besondere Beziehung: Seine „Matrosen“ brachten dem Museum auf einer Auktion dringend benötigte 8,5 Millionen Euro ein.

„Wenn man nichts weiß, hat man auch keine Probleme“

Peter Friese, Vizedirektor des Museums Weserburg

Schwächen hat die Ausstellung dort, wo sie eigens für sie produzierte Kunst zeigt. Da darf etwa Rainer Splitt noch einmal einen Eimer signalrote Farbe ausgießen – mehr als 40 solcher Seen hat der 48-Jährige bereits weltweit produziert. Das passt zum Thema, keine Frage, hat uns aber als x-ter Aufguss nichts mehr zu sagen. Katharina Grosse derweil darf eine Ecke des Museums grobschlächtig mit der Sprühpistole bearbeiten. Nun ja.

Draußen auf der Weser, die um das Museum auf dem Teerhof herumfließt, durfte Nicolás Uriburu für eine Stunde das Wasser quietschgrün färben. Eine Idee, die neu war, als der inzwischen 73-jährige Argentinier sie 1968 im Canal Grande von Venedig realisierte. Damals war das ein Protest gegen Gewässerverschmutzung und Naturzerstörung, der Ausgang der Kunst aus vorgefertigten Räumen. Heute will das Happening immer noch politisch sein, verkommt aber zum kurzatmigen Spektakel, das davon lebt, dass der Umweltverband Nabu mit allerlei Halbwissen dagegen opponierte. Und das noch dazu der Aufguss einer Aktion war, die 1998 der Künstler Olafur Eliasson an gleicher Stelle in Bremen realisierte.

Insgesamt 54 KünstlerInnen zeigt die Ausstellung „Farbe im Fluss“ – und damit sind viele jener Privatsammler vertreten, die dem Museum seit langem verbunden sind. Auch solche wie der Berliner Reinhard Onnasch, der zwar einst zu den Gründern der Weserburg gehörte, seine Werke aber mittlerweile anderswo zeigt. „Wir strafen damit jene Lügen, die sagen, die Sammler verlassen die Weserburg wie die Ratten des sinkende Schiff“, sagt Friese. Mit einem neuen Ausstellungsformat will das Haus in Zukunft jungen Sammlern ein Podium bieten und so den Anschluss an die aktuelle Kunst wahren. Da gibt es, gemessen an „Farbe im Fluss“, durchaus noch einiges zu tun.

bis 29. Januar 2012, Weserburg