: Des Verlegers Kampfansage
Eine neue Ära beginne mit Silke Hellwig bei den Bremer Tageszeitungen. Wer wollte diesem Satz, mit dem Verleger Ulrich Hackmack seine neue Chefredakteurin jetzt ins Amt einführte, widersprechen? Die 48-Jährige sei „die wohl einzige Frau in Deutschland, die eine Zeitungsredaktion dieser Größe leitet“, rühmte Hackmack bei der Redaktionskonferenz. Die erste Frau an der Spitze des Weser-Kuriers ist sie gewiss, doch Hellwig markiert auch den Beginn weiterer Ären: Neben dem Genderaspekt, dessen Wichtigkeit für Hackmack bislang unbekannt war, soll sie Crossmedialität durchsetzen.
Hellwig ist Expertin für Videojournalismus, der künftig eine wesentliche Rolle spielt. Der Wind der Innovation, für den Hellwig steht, ist allerdings auch eine kalte Brise ins Gesicht der Mitarbeiter. Schon die Modalitäten der Ernennung konnte die Redaktion kaum anders denn als Affront empfinden: Abgesehen von der Spätschicht, die die Meldung kurz vor Andruck erhielt, erfuhren die Mitarbeiter erst anderntags aus der Zeitung von ihrer neuen Chefin. Den kommissarischen Redaktionsleiter ereilte es im Urlaub.
Allerdings durfte Hellwig nur als kurze Nachricht im Lokalteil stehen. Dieser feine Unterschied zum Vorgänger, dessen Berufung mit Foto ganz vorn zelebriert wurde, ist durchaus als Teil der Botschaft zu verstehen, die Hackmack seiner stets streikbereiten Belegschaft zukommen lassen will: „Ihr könnt mich!“
Hellwig hat Qualitäten, die Chefs gefallen: Sie kann sparen, hart sein, Druck machen. Dass sie selbst unermüdlich arbeitet, weiß man beim Weser-Kurier ebenfalls, wo sie früher als „ell“ die Lokalseiten füllte. Bis sie vor zehn Jahren frustriert kündigte. In ihrem Arbeitseifer war es um sie herum zu einsam geworden. Unter Heinz Glässgen – obwohl sie dessen Nominierung zum Radio-Bremen-Intendanten als „Desaster“ beschrieben hatte – avancierte Hellwig zur Leiterin „Fernsehen aktuell“. Dort jedoch wurde sie 2010, nach vergeblichen Mediationsverfahren, ausgebootet. Nun ist sie zurück auf ihrem alten Schiff. Diesmal auf der Kommandobrücke und umgeben von Menschen mit Meutergelüsten. HENNING BLEYL