: Im Namen des Herrn
Wenige Tage vor dem Besuch des Papstes in Deutschland erinnern seine glühendsten Verehrer daran, dass es sie gibt: katholische Fundamentalisten, die auch in ihrer eigenen Kirche kritisch und misstrauisch beäugt werden. Das Forum Deutscher Katholiken etwa pflegt fragwürdige Verbindungen und fürchtet „eine Ideologie, die am Untergang Deutschlands arbeitet“
von Meinrad Heck
Die Dame gerät in Verzückung. „Schauen Sie“, sagt sie, „da oben am Himmel. Sehen Sie das Kreuz?“ Da oben am blauen Spätsommerhimmel über Karlsruhe fliegen täglich hunderte Flugzeuge, und ein paar Dutzend Mal am Tag treffen sich zwei Kondensstreifen, weil die Wege so sind, wie sie sind. Aber die entzückte Dame sieht ein Zeichen des Himmels. Sie ist mit knapp tausend Menschen zum Kongress „Freude am Glauben“ nach Karlsruhe gekommen. Das Forum Deutscher Katholiken hat ihn organisiert.
Das Wort von der „Ideologie, die am Untergang Deutschlands arbeitet“, stammt aus einer Publikation dieses Katholiken-Forums namens „Informationen aus Kirche und Welt“. Im August 2011 nahmen die Verfasser die Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Monika Grütters aufs Korn, weil sie beim neuen Berliner Erzbischof Rainer Woelki eine Nähe zum umstrittenen Opus Dei vermutet und diese als „verheerend“ bezeichnet hatte.
Opus Dei – Sekte oder harmlose Laienbewegung?
Das Opus Dei ist direkt dem Papst unterstellt und – je nach Sichtweise – bei Kritikern und ehemaligen Mitgliedern eine fundamentalistische Sekte oder in der Selbstdarstellung nur eine Laienbewegung, die in den unscheinbaren Dingen des Alltages „nach Heiligkeit strebt“. Dieses Opus Dei, das Werk Gottes, zu kritisieren, noch dazu, wenn das eine katholische CDU-Abgeordnete tut, das „grenzt an geistigen Terror“, ließ der Vorsitzende des Katholiken-Forums, Hubert Gindert, erklären.
Solche Worte finden den Beifall der Mitglieder. Die erzkatholischen Netzwerke im Namen des Herrn, die jetzt den Besuch des Papstes herbeisehnen, sind weit gesponnen. Kleine TV-Sender und Radiostationen schießen wie Pilze aus dem Boden. Da gibt es zum Beispiel K-TV, das sich Fernsehen für Kirche und Kultur nennt. Die Station sendet in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie fühlt sich eigenen Angaben zufolge ausdrücklich von der „göttlichen Vorsehung begleitet“. Der Geschäftsführer betreut in Personalunion auch den deutschsprachigen Netzauftritt des Opus Dei.
Die Arme dieses Gotteswerkes reichen weit hinein in die Finanzwelt und in die Politik. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis sitzt im Kuratorium des Forums Deutscher Katholiken und gehört dem Vorstand einer gewissen Rhein-Donau-Stiftung an. Diese Stiftung verwaltet ein Vermögen von immerhin 5,3 Millionen Euro, und sie geriet wegen ihrer Nähe zum Opus Dei im Jahr 2008 in den Fokus der Bundesregierung. Denn sie hatte über zehn Jahre hinweg für Entwicklungshilfe-Projekte mehr als 1,5 Millionen Euro Steuergeld erhalten. Obwohl die Stiftung selbst einen deutlichen Bezug zum Opus Dei herstellt, erklärte die Bundesregierung auf parlamentarische Anfrage im Dezember 2008 das Gegenteil. Der Regierung war nämlich „nicht bekannt, dass die Rhein-Donau-Stiftung in engem Kontakt zum Opus Dei steht“.
Vorsorglich ließen die Regierung und das Entwicklungshilfeministerium jedoch einige Stiftungsprojekte untersuchen, um festzustellen, ob das Steuergeld etwa nur zur Förderung „religiöser Ansätze“ und damit zweckwidrig verwendet worden sein könnte. Eine Prüfungskommission sprach die Stiftung von diesem Verdacht frei, kritisierte jedoch bei manchen der untersuchten Bildungsprojekte in Südamerika und Afrika die – Opus-Dei-typische – „strenge Geschlechtertrennung“ und die „restriktive Einstellung zum Thema Verhütung“. Die Zuschussgelder flossen weiter.
Nach Jahrzehnten der Geheimhaltung agiert das Gotteswerk mittlerweile in aller Öffentlichkeit. Es wurde 1928 in Spanien von Josemaría Escrivá gegründet, hat heute weltweit rund 90.000 Mitglieder, knapp 1.500 in Deutschland. Dem Opus wurde in der Gründungsphase eine Nähe zum faschistischen Franco-Regime bis hin zur italienischen Mafia nachgesagt, aber nie bewiesen.
Das hat Johannes Paul II., den Vorgänger von Papst Benedikt XVI., nicht daran gehindert oder auch ermuntert, den Opus-Dei-Gründer Escrivá in Rekordzeit heiligzusprechen. Dem Forum Deutscher Katholiken war dieses Ereignis in seiner Zeitschrift Der Fels eine mehrseitige Reportage wert. Der Gründer des so umstrittenen Gotteswerkes hatte demnach „einen Boulevard zum Himmel“ und eine „Straße zur Heiligkeit“ angelegt.
Politisch geht es in Richtung rechter Rand
Noch heute nehmen manche Mitglieder das Wort von der Buße sehr wörtlich: Sie kasteien sich selbst mit einer Geißel oder tragen einen Bußgürtel mit nach innen gerichteten Dornen. Sogenannte Numerianer, die sich dem Werk verpflichtet haben, gehen zwar ihrer Alltagsarbeit nach, geben aber oft ihre kompletten Einkünfte dem Opus. Ehemalige Mitglieder des Gotteswerkes (www.opusfrei.org) sprechen dagegen von einer Sekte, die ihre Mitglieder und deren Lebensinhalt kontrolliere.
Selbst Interventionen von Aussteigern in Rom hatten kaum Auswirkungen. Das Gotteswerk kann sich auf jahrzehntelang ausgebaute Strukturen verlassen. Es agiert mitunter auch in der Politik am rechten Rand. Opus-Dei-Sympathisanten wie der Philosoph Nikolaus Lobkowicz, 1971 bis 1976 Rektor der Uni München, waren seit den 1980er-Jahren immer wieder Gast in rechtskonservativen Denkfabriken wie etwa dem von Hans Filbinger gegründeten Studienzentrum Weikersheim.
Führende Kirchenmänner und CDU-Mitglieder hatten dem früheren baden-württembergischen Ministerpräsidenten zu dessen 80. Geburtstag eine Stiftung seines Namens gewidmet. Unter den Gründern waren neben Lobkowicz auch Gerhard Mayer-Vorfelder oder der frühere CDU-Staatsminister Erwin Vetter. Mit dabei höchst umstrittene Figuren wie ein gewisser Paul Carell. Der vor einigen Jahren verstorbene Carell hieß während der Nazi-Diktatur Paul Schmidt und war Pressesprecher des damaligen Nazi-Außenministers Ribbentrop.
Am 27. Mai 1944 machte sich Carell noch Gedanken „über die laufenden und geplanten Judenaktionen in Ungarn“. Er riet seinen Vorgesetzten, die geplanten Razzien zu rechtfertigen, indem Juden Sprengstoff untergeschoben und Devisenverschiebungen größeren Stils konstruiert werden sollten. „Der Schlussstein“, so der spätere Paul Carell im Mai 1944 wörtlich, „müsste ein besonders krasser Fall sein, an dem man dann die Großrazzia aufhängt“. Carell wurde dafür nie belangt.
Und heute noch scheint man am rechten Rand und auch beim Opus Dei das Thema Judenverfolgung unter den Nazis – vorsichtig formuliert – durchaus differenziert zu betrachten.
Jener dem Gotteswerk nahestehende Philosoph Lobkowicz sah auf der offiziellen Internetseite des Opus Dei noch im März 2010 „massive Kräfte, die dem Christentum feindselig begegnen“. Die „Causa Williamson“, nämlich die Leugnung des Holocausts durch einen Bischof Williamson in der Pius-Bruderschaft, nannten Lobkowicz und die Opus-Dei-Website „Übertreibungen in der medialen und politischen Kirchenkritik“.
Und als die Bundeskanzlerin den Papst und dessen Nichtreaktion vorsichtig kritisierte, verbat sich etwa ein Forum Deutscher Katholiken eine solche Kritik am Heiligen Vater.
Fundamentalisten am äußersten Rand nicht auszugrenzen ist auch Politik der katholischen Kirche. Erzbischof Robert Zollitsch hat deshalb beim Kongress der Forumskatholiken in Karlsruhe eine Messe gelesen. Die Legionäre Christi, eine ebenso umstrittene Vereinigung wie das Opus Dei, oder auch die katholischen Pfadfinder Europas waren dabei. Mädchen und Jungen sangen schöne Lieder und schwenkten deutsche Fahnen oder das gelb-weiße Banner des Vatikans. Und der Erzbischof, sagen seine Vertrauten, „musste kommen“. Es war eine Frage der Diplomatie.