unverbremt : Einsam und unglücklich
Lauscht man den Klagen der ihrer Beschäftigungsverhältnisse verlustig gegangenen Zeitgenossen, so fällt kaum je ein gutes Wort über die Agentur für Arbeit. Eine Brutstätte finsterer Kleinkariertheit, ja engstirniger Lustfeindschaft sei sie, für die die wahre Bestimmung des Menschen in seiner Arbeit liege und die folglich die ihr in die Hände gefallenen Arbeitslosen mit allerlei Torturen zu quälen pflege.
Sie irren. In der Kathedrale der Pflichtethik haben sich Zellen widerständigen Geistes nichts weniger als die völlige Zersetzung der Arbeitsmoral auf die Fahnen geschrieben. Einer der Juristerei überdrüssigen Bremer Anwältin bescherte ihr Case-Manager einen seltenen Moment subversiven Glücks. Mit einem keineswegs lust-, sondern arbeitsfeindlichen Sperrzeit-Bescheid wurde ihr über den zugedrehten Geldhahn hinweg geholfen: „Sie haben ihr Beschäftigungsverhältnis durch eigene Kündigung selbst aufgelöst. Sie mussten voraussehen, dass sie dadurch arbeitslos werden. Als Anwältin mussten Sie 60 Stunden pro Woche unter sehr anstrengenden Bedingungen arbeiten. Auf Dauer macht das einsam und unglücklich. Sie konnten nicht mehr abschalten und haben nachts von ihren Mandanten geträumt. Jetzt würden Sie gerne wieder ein bisschen leben. Ich verkenne nicht, dass die Gründe für ihr Verhalten aus ihrer Sicht sehr bedeutsam waren.“ Die Tage des Fetischs Arbeit sind gezählt.
Christian Jakob