: CSU: Und mehr Polizei wird schon helfen
PARTEIENDEBATTE Während sich die Bundesregierung um Deeskalation bemüht, folgt die CSU ihren Reflexen. Die Grünen und die Linkspartei widersprechen dem Ruf nach schärferen Gesetzen
FRANK TEMPEL, LINKE
AUS BERLIN ANJA MAIER
Am Tag nach dem Anschlag von Paris scheint Bayern noch ein bisschen weiter entfernt von der Bundeshauptstadt zu liegen als ohnehin. Bei ihrer Klausurtagung in Wildbad Kreuth verabschiedeten die CSU-Bundestagsabgeordneten am Donnerstag ein Papier, in dem sie ein schärferes Vorgehen der deutschen Innenpolitik gegen islamistischen Terrorismus forderten. Dazu gehörten die rasche Rückkehr zur Vorratsdatenspeicherung, mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden und eine Verschärfung des Strafgesetzbuchs.
Anders als die CSU arbeiteten unterdessen im 650 Kilometer entfernten Berlin CDU und SPD an der Deeskalation der Lage. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) ordnete eine dreitägige Trauerbeflaggung aller Bundesbehörden an. In der Süddeutschen Zeitung verurteilte er den blutigen Anschlag auf die Pariser Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo als „barbarischen Akt“. Unabhängig vom Hintergrund der Täter sei „eines völlig klar: Terroranschläge haben nichts mit dem Islam zu tun“.
Auch sein SPD-Kollege, Bundesjustizminister Heiko Maas, warnte vor überzogenen Reaktionen. Deutschland werde sich von Terroristen nicht provozieren lassen, sagte er bei einem Pressestatement. „Terror hat mit dem Islam nichts zu tun.“ Maas forderte dazu auf, „einen Kampf der Kulturen“ nicht zuzulassen. „Terroristischer Bedrohung werden wir entschieden, aber mit Besonnenheit und Augenmaß begegnen.“
Von Besonnenheit war in Kreuth indes nicht viel zu spüren. „Wollen wir wirklich die Daten von Terroristen und Kriminellen schützen oder wollen wir die Bürger in Deutschland schützen?“, fragte dort CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl und forderte eine Verschärfung des Strafgesetzbuchs. Bestraft werden solle künftig nicht nur, wer einen Angriffskrieg vorbereite, sondern auch, „wer das friedliche Zusammenleben der Völker stört“. Die CSU will so erreichen, dass auch Islamisten bestraft werden können, die aus Deutschland in Kriegsgebiete ausreisen, um sich dort an Kämpfen zu beteiligen.
Der Innenexperte der Linksfraktion Frank Tempel warnte gegenüber der taz vor Pauschalisierungen. „Der Islam an sich ist keine aggressive Religion“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Innenausschusses, „ganze Strömungen zu verurteilen, Angstmacherei, so etwas hilft überhaupt nicht weiter, sondern dient der Eskalation.“
Mittel wie Überwachung öffentlicher Plätze oder Vorratsdatenspeicherung hält Tempel für untauglich. „Selbst wenn jetzt Videoüberwachung gefordert wird, das nützt nichts. Man sieht die Täter dann nur in der Kamera, verhindert hat man aber nichts.“ Um das Sicherheitsgefühl der BürgerInnen zu erhöhen, bräuchte es künftig mehr Präsenz gut ausgebildeter und ausgestatteter PolizistInnen.
Einen Anschlag wie in Paris schloss der Innenpolitiker für Deutschland nicht aus. „Wir haben ein gutes, ein ausgereiftes Sicherheitssystem in Deutschland. Aber nicht so perfekt, dass solche Anschläge ausgeschlossen werden können.“ Gegen die Furcht davor helfe „nur Dialog, wir brauchen ausgestreckte Hände, aber keine Angstmache.“
Nur knapp 300 Kilometer von Berlin entfernt, in Weimar, trafen sich derweil die Grünen zu ihrer Klausur. Dort äußerte sich der Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter zum CSU-Papier. „Ich glaube, man muss vieles unternehmen, um die Radikalisierung junger Menschen zu verhindern.“ Aber nach einem solch schrecklichen Anschlag sei es erst mal wichtig, „dass die europäischen Gesellschaften zusammenstehen“ und mit einigem Abstand „klug analysieren, wie Anschläge unwahrscheinlicher zu machen“ seien.
Statt gleich nach schärferen Gesetzen zu rufen, sollten erst einmal die bereits geltenden „vernünftig angewendet werden“. Wie Tempel kritisierte auch Hofreiter, dass Polizeibehörden in Deutschland massiv ausgedünnt worden seien, sodass es an Kapazitäten fehle, überhaupt die Einhaltung der geltenden Regeln zu kontrollieren. Wer jetzt gleich Gesetzesverschärfungen fordere, drohe sich deshalb lächerlich zu machen. „Gesetze, die nicht vollzogen werden, helfen niemandem.“
Mitarbeit: Astrid Geisler und Lena Schnell