Der Groove der alten Roboter

KRAFTWERK IM MUSEUM

Die unantastbaren Paten von eigentlich jeder aktuellen Tanzbodenmusik

Noch etwas spektakulärer wäre es natürlich gewesen, wenn sich die Beatles zu einem Wiedervereinigungskonzert in der Neuen Nationalgalerie getroffen hätten. Das ging aber leider nicht: John und George sind langfristig verhindert, Paul und Ringo wollten wohl nicht. So spielen im Mies-van-der-Rohe-Bau derzeit halt die „Beatles der elektronischen Tanzmusik“. Diesen recht imposanten Ehrentitel hatte die New York Times einmal Kraftwerk verliehen.

Seit Dienstag also arbeitet sich die Band aus Düsseldorf in ihrer auf acht Abende angelegten Konzertserie durch ihr musikalisches Oeuvre, zum Kehraus dort, bevor dann die Neue Nationalgalerie für die Sanierung auf Jahre hinaus von der Öffentlichkeit weggeschlossen wird. Schon deswegen sind die Konzerte allemal ein Ereignis, das – einfach mal abgemessen an ihrer medialen Begleitung – gleich noch der popmusikalische Höhepunkt des Jahres sein muss. Auf allen Kanälen rauscht es so mit Kraftwerk, Menschmaschinen und Robotern, dass man fast glauben könnte, jetzt endlich würde deren Lied von der „Autobahn“ mit dem „wir fahr’n, fahr’n, fahr’n“ zumindest als inoffizielle Hymne Deutschlands eingeführt.

An der Bedeutung von Kraftwerk gibt es ja tatsächlich nichts zu rütteln. Gewissenhaft wurde es nochmals aufgelistet: Dass man es bei der Band eben mit den Göttern der elektronischen Musik zu tun habe, der Mutter von Techno und House, dem Großväterchen von Industrial und überhaupt den unantastbaren Paten von eigentlich jeder aktuellen Tanzbodenmusik.

Hörte man etwas genauer hinein in dieses mediale Grundrauschen zur Wirkmacht von Kraftwerk, meinte man dabei auch eine Sehnsucht zu spüren: Dass man mit dieser Band doch einen gewichtigeren deutschen Beitrag zur internationalen Popgeschichte vorweisen kann. Bedeutsamer als zum Beispiel diese kleinen Pünktchen aus dem deutschen Schriftbild, die sich hart rockende Bands aus Großbritannien und Amerika gern wie Pickelhauben in ihrem Namen aufsetzen. Weswegen man bei diesem Ä und Ö vom „Metal Umlaut“ spricht. Prominente Parteigänger der Pünktchen sind zum Beispiel Motörhead. Deren Bandvorstand Lemmy erklärte die Sache mal schlicht so: „Weil es gemeiner aussieht. Deutscher.“

Klänge doch gleich noch schneidiger: Kräftwerk, auf der Autöbahn. THOMAS MAUCH