Die Zeit läuft

Stress in der Nasszelle

Aus meinem Teewecker ist ein Klowecker geworden. Und das kam so: Unsere Firma hat neue Büroräume bezogen, ganz moderne. Wir freuten uns, aber dann merkten wir, dass auf der Toilette nach drei Minuten automatisch das Licht ausgeht. Angeschaltet wird es über einen Bewegungsmelder im Vorraum. Es hilft also nichts, auf der Kloschüssel zu sitzen und wild herumzuzappeln, wenn man es nicht in drei Minuten geschafft hat. Man müsste schon die Sitzung unterbrechen, aus der Toilette in den Vorraum treten und da einmal den Hampelmann machen. Ich habe die zuständige Elektrofirma gefragt und die sagt: Anweisung „von ganz oben“, vom Vorstand.

Mein Kollege Winkelmann schafft es nicht in drei Minuten. Er hat arge Probleme mit der Verdauung, Verstopfung, aber auch Durchfälle, die Ärzte konnten ihm nicht helfen. Nun will er sich eine Taschenlampe kaufen, aber wegen der vielen Überstunden hat er es noch nicht in einen Laden geschafft. Bis es so weit ist, steht erst mal der Teewecker auf meinem Tisch. Winkelmann klopft an meine Tür, mein Büro ist das der Toilette am nächsten. Er zeigt mit den Fingern voraus, sagt kein Wort dabei. Dann weiß ich, ich muss den Wecker auf drei Minuten stellen. Sobald es klingelt, trabe ich zum Herrenklo, öffne da vorsichtig die Tür und winke einmal ins Dunkel hinein. Geht das Licht an, frage ich: „Meinst du, ich muss noch einmal kommen?“ Meist sagt er dann, er schafft es. Manchmal muss ich auch wiederkommen.

So dicht an der Klotür sitze ich gar nicht, vorher kommen noch ein Konferenzraum und die Teeküche. Ich verliere bestimmt mit jedem Gang zu Winkelmann eine Minute Arbeitszeit. Das wird der Vorstand sicher einkalkuliert haben. ANNETTE SCHWARZ