Letzter Termin mit dem Henker

USA Ein Begnadigungsausschuss lehnt ein Gnadengesuch im Falle des Todeskandidaten Troy Davis statt. Er wurde 1991 in einem umstrittenen Verfahren wegen Mordes verurteilt

„Es gibt hier viele Zweifel, wie kann man ihn da hinrichten?“

MARTINA DAVIS-CORREIA, SCHWESTER DES VERURTEILTEN

AUS WASHINGTON DOROTHEA HAHN

Für Troy Davis ist Mittwoch der vierte und letzte Termin mit dem Henker. Dann wird der 42-Jährige in Atlanta im Bundesstaat Georgia mit einer Giftspritze getötet. Wegen eines Polizistenmordes, den er immer bestritten hat. Und infolge eines Schuldspruchs, der auf Aussagen basiert, von denen die meisten widerrufen worden sind. Am Dienstag lehnte der Begnadigungsausschuss in Atlanta ein Gnadengesuch ab.

„Ich bin Troy“ steht auf den T-Shirts der DemonstrantInnen, die seit dem Wochenende vor dem Gefängnis in Atlanta gegen die Hinrichtung demonstrieren. In einer weltweiten Kampagne sind mehr als 600.000 Unterschriften für die Rettung von Troy Davis zusammengekommen. Unter anderem baten der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter, der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu, der Vatikan und selbst ein Exabgeordneter, der im US-Kongress für die Todesstrafe gekämpft hat, um Gnade. Die meisten UnterstützerInnen sind prinzipiell gegen die Todesstrafe. Und alle argumentieren, dass es im Fall von Troy Davis keine Gewissheit über seine Schuld gibt.

„Es gibt hier viele Zweifel“, sagte Martina Davis-Correia. „Wie kann man ihn da hinrichten?“ Die eineinhalb Jahre ältere Schwester von Troy Davis war das Herz und die treibende Kraft jener, die für das Leben des Todeskandidaten kämpfen. Als ihr jüngerer Bruder verurteilt wurde, verließ sie das Militär und konzentrierte sich ganz auf seine Verteidigung. Die Davis’ sind eine Familie aus dem afroamerikanischen Mittelstand. Sie lebte gut, bevor Davis in die Fänge der Justiz geriet.

Troy Davis soll im August 1989 den Polizisten Mark MacPhail erschossen haben. Materielle Beweise für seine Schuld gibt es nicht. Bloß Zeugenaussagen. Auf ihrer Grundlage wird Troy Davis, der alles bestreitet, im Jahr 1991 zum Tode verurteilt. Seither sitzt er im Todestrakt. Bei seinen Gerichtsterminen trägt er ein großes Kreuz um den Hals. Davis beteuert vom ersten Moment an seine Unschuld. Nachdem er verurteilt ist, widerrufen sieben von neun Belastungszeugen ihre Aussagen. Sie berufen sich auf „Druck“ von der Polizei und auf „Druck“ von anderer Seite. Nur zwei halten an ihrer Aussage fest. Einer der beiden gilt als der wichtigste alternative Tatverdächtige.

Auch ehemalige Geschworene erklären, dass sie unter den neuen Voraussetzungen ein anderes Urteil gefällt hätten. Davis und seine Anwälte gehen durch alle Instanzen. Sie schaffen es drei Mal, seine unmittelbar bevorstehende Hinrichtung zu verschieben. Beim letzten Mal erfährt Troy Davis eine Stunde vor der Giftspritze, dass er noch einen Aufschub bekommt.

Am Montag dieser Woche, zwei Tage vor dem Hinrichtungstermin, trat in Atlanta ein Gremium zusammen, das das letzte Wort über Davis’ Leben oder Tod haben wird. Fünf Mitglieder saßen in dem „Board of Pardon and Parole“, das in der Verfassung von Georgia vorgesehen ist. Aber die Chancen für Troy Davis standen nicht gut. „Unser Rechtssystem ist dergestalt, dass es schwierig ist, von einem Todesurteil loszukommen, wenn es einmal gefällt ist“, sagt Juraprofessorin Lisa MacElroy von der Drexel-Universität in Philadelphia in einem Radiointerview.

Auch die andere Familie, deren Leben durch den Mord vom August 1989 eine radikale Wende genommen hat, ging in die Offensive. Anneliese MacPhail, die Mutter des toten Polizisten, war von Davis’ Schuld überzeugt. In Interviews meinte sie, seine Hinrichtung würde ihr „Seelenfrieden“ geben. Die Witwe nannte es „aberwitzig“, dass die Davis-Familie sich als Opfer versteht. „Wir leben seit 22 Jahren damit“, sagte Joan MacPhail, „es ist Zeit für Gerechtigkeit.“