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Archiv-Artikel

Black Box von links

Ein Einzug der Linken in den niedersächsischen Landtag könnte Schwarz-Gelb ins Wanken bringen. Der Vereinigungsparteitag der Linken am Wochenende wird deshalb genau beobachtet

von Kai Schöneberg

Der Kandidat spielt auf. Zusammen mit Manfred Maurenbecher will Diether Dehm beim Kulturabend vor dem Vereinigungsparteitag von Niedersachsens Linkspartei und WASG die Eisler-Vertonung eines Brecht-Stücks aufführen. Ansonsten steht dem Liedermacher („Das weiche Wasser bricht den Stein“, „Faust auf Faust“), Buchschreiber, Inhaber einer Werbeagentur, einer Immobilienfirma und eines Musikverlags derzeit der Sinn nach Wählerstimmen. Nach dem Einzug in die Bremer Bürgerschaft wollen die Linken am 27. Januar 2008 auch in Niedersachsen als zweitem westdeutschen Bundesland ins Parlament kommen. Derzeit sehen Demoskopen die Linken bei vier Prozent.

Fehlt nur ein Prozentpunkt. Dabei sind die Linken in Niedersachsen bislang weder inhaltlich noch personell groß aufgefallen. Ein Pfund, mit dem Dehm und seine Genossen im Wahlkampf wuchern wollen, ist deshalb die Arithmetik der derzeitigen Umfragen: „Nur wenn wir reinkommen, schwankt Schwarz-Gelb“, sagt Dehm. Das weiß auch die Konkurrenz, die den Parteitag in Hannover genau beobachten wird. Anstatt sich zu freuen, dass es trotz Umfrageergebnissen von 30 plus x Prozent vielleicht doch eine Möglichkeit gibt, Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) vom Thron zu stoßen, betont SPD-Spitzenkandidat Wolfgang Jüttner derzeit gebetsmühlenartig, die Linke komme ohnehin nicht ins Parlament. Die Grüne sagen, sie wüssten zu wenig über die „Black Box“ von links.

Die CDU freut sich derweil, die Sozialdemokraten mit einer Kampagne gegen ein rot-rotes Bündnis in die Ecke treiben zu können. Die Angst vor „Kommunisten“ an der Macht mobilisiere die eigenen Wähler, meint die Niedersachsen-Union. „Ich brauch’ meine 82-jährige Oma nicht im Rollstuhl zum Wahllokal zu schieben, wenn die Roten vor der Tür stehen, die fährt dann von allein dahin“, sagt ein hochrangiger CDU-Funktionär. SPD-Landesparteichef Garrelt Duin hat zwar eine Koalition mit der Linken ausgeschlossen und eine Nebelkerze in Form einer Ampel-Koalition in die Debatte geschmissen. Zur Tolerierung einer rot-grünen Koalition haben die Sozialdemokraten aber noch nicht Stellung genommen. Dehm sagt: „Die Deutschen sind immer auf Koalitionen fixiert.“ Und: „Wir werden keine Verweigerungsopposition sein“, die Linke werde „vernünftige Vorschläge“ unterstützen. Zum Beispiel die Abschaffung der Studiengebühren.

Also wird in den kommenden fast fünf Monaten noch viel über die Newcomer mit ihren inzwischen 2.500 Mitgliedern geredet werden. Gut für die Landes-Linke, deren 220 Delegierten am Wochenende in Hannover neben der Fusion ihrer Teilparteien auch Satzung und Wahlprogramm verabschieden wollen. Zudem soll ein neuer Vorstand gewählt werden. Gegen den 57-jährigen Dehm, einst SPD, dann PDS, kandidiert der Ex-WASGler Edmond Worgul. Der VW-Betriebsrat will „mit, nicht gegen Dehm kandidieren“ und plädiert für eine stärkere Mitgliederbeteiligung und auch dagegen, dass der „Diether“ die Partei häufig von aus Berlin lenkt, wo er Bundestagsabgeordneter ist.

Erst im November wird die Landesliste aufgestellt. Die Linke muss auf Eigengewächse aus der Provinz setzen. Dehm kündigt „ein Team auf den sicheren Plätzen, dass vor Sachkompetenz nur so strotzt“ an – und nennt den Oldenburger Ratsherrn Hans-Henning Adler.

Ein Stolperstein, um auch im Westen als angekommen zu gelten, ist für Die Linke die ländliche Struktur Niedersachsens. Auf dem Land sind sie bislang kaum vertreten. Deshalb plant die Partei Hearings mit linken Unternehmern und Aktionen für Handwerker und Landwirte.