: Unter falscher Flagge
FUSSBALL Beim Goldenen Ball solidarisiert sich Sepp Blatter mit den Medien – absurd, denn die Fifa ist keine Freundin kritischer Berichte
VON MARKUS VÖLKER
Danke, Sepp, aber wir wollen deinen Preis nicht, schon gar nicht deinen Presidential Award, den du am Montagabend nicht nur einem greisen Schreiber, dem 90-jährigen Hiroshi Kagawa, verliehen hast, sondern gleich mal „allen Journalisten“. Der Preis unterstreiche die Bedeutung der Presse und der Meinungsfreiheit, schwadronierte Blatter auf der Gala zur Verleihung des Goldenen Balls in Zürich. Lieber Sepp, steck dir deinen Preis sonst wohin!
So weit ist es nun also gekommen, dass sogar die Fifa den mittlerweile inhaltsleeren Slogan „Je suis Charlie“ an die Wände des Züricher Festsaals projizierte. Sie ist zum Kotzen, diese Heuchelei der Trittbrettfahrer. Der Fußballweltverband ist damit nur ein weiterer Wurm, der sich durch die Leichen der toten Satiriker bohrt.
Doch dass sich ausgerechnet die Fifa, nur weil es gerade opportun ist, auf die Seite „aller Journalisten“ schlägt, ist schon ein starkes Stück. Denn die Hüter des Fußballs fühlten sich von kritischen Schreibern immer provoziert, schnitten sie und machten ihnen das Leben schwer. Als sich so mancher Journalist in die Skandale der Fifa verbiss, da wünschte auch ein Sepp Blatter all die Andrew Jennings dieser Welt auf den Mond.
Und das ist ja auch okay, nichts anderes würde man von einem absolutistischen Sportverband erwarten, doch soll Blatter jetzt nicht so tun, als wäre er schon immer ein großer Freund der Schreiberlinge und „Wegelagerer“ (Helmut Schmidt) gewesen. Auf der anderen Seite nahmen die Rechercheure die Ablehnung der Fifa ja auch meistens sportlich, zumal sie sie in ihren Berichten und Dokumentationen trefflich ausschlachten konnten. Das Verhältnis war immer spannungsreich – und das war gut so.
Auch die taz wurde schon von der Fifa gedisst. Als es im Vorfeld der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland einen kritischen Text zu den Umweltstandards der WM gab, da wurden der taz kurzfristig die Match-Akkreditierungen entzogen. Es war eine Demonstration der Macht. Ein anderes Beispiel gefällig? Das Buch des englischen Journalisten David A. Yallop mit dem Titel „Wie das Spiel verlorenging. Die korrupten Geschäfte zwischen Fifa und Medien“ ließ Blatter in der Schweiz per einstweilige Verfügung verbieten. Oder dies? Nach einem Beitrag auf der Satire-Seite der taz, der Wahrheit, vom 15. November 2004 unter der Überschrift „Ein Tier wie wir“, in dem die Fifa als „Verbrecherorganisation“ bezeichnet worden war, klagte der Fußballweltverband gegen die taz. Man einigte sich in einem Vergleich vor dem Bezirksgericht Zürich (Az. CG050032/U).
Jetzt soll die Fifa mal nicht so tun, als wäre ihr Verhältnis zu den Medien schon immer easy, dufte und extrem relaxt gewesen. Die Presse, auch die Sportpresse, braucht keine besondere Anerkennung aus der Zentrale des Weltfußballs, sie braucht keinen Beistand und keine Ermunterung. Sie ist keine bedrohte Art, auch wenn gestern absurderweise sogar drei Polizeiwagen vor der taz in der Rudi-Dutschke-Straße standen. Sie lässt sich auch nicht einlullen von Sepp Blatters Angebot eines Schulterschlusses. Wenn die Fifa Charlie ist, dann sind wir es nicht. Wenn die Fifa auf diesen Zug aufspringt, dann springen wir ab.
Ohne dem guten alten Hiroshi Kagawa zu nahe treten zu wollen, aber er ist eher ein Journalist, wie ihn sich die Fifa wünscht. Er versteht sich als Promotor des japanischen Fußballs und war „stolz“, als sich Japan 1998 erstmals für eine Weltmeisterschaft qualifizierte. Kagawa ist Fan. Wie viele seiner Kollegen. Fans transportieren die Botschaft der Fifa. Journalisten sollten das nicht tun, auch wenn die Gala zur Kür des Weltfußballers von Jahr zu Jahr größer und glitzernder wird – und die Weltmeisterschaften zu Massenevents werden.
„Irgendwie bin ich immer der Buhmann“‚ hat Sepp Blatter einmal gesagt. Dass er jetzt für seine Journalisten-Ehrung wieder kritisiert wird, dürfte der alte Herr nicht verstehen. Und das ist vielleicht auch Kern des Problems. Oder wollte Blatter beweisen, dass er doch ein Freund der Satire ist?