: Am Ende der Randlage
Die Tage der Zentralen Randlage sind gezählt – und werden ordentlich gefeiert. Der Gentrifizierung fiel das ganze Medienhaus am Senefelder Platz zum Opfer
Wie aus heiterem Himmel traf die Nachricht vom Verkauf des Medienhauses am Senefelder Platz Xenia Helms und René Bage, die Veranstalter der Zentralen Randlage. Zumindest bis Dezember, wenn nicht bis zum Frühjahr 2008 hatten sie gehofft, den Club weiter betreiben zu können. Vor mehr als drei Jahren war Christoph Klemke, Leiter von Datenklang, Schule für Musik und audiovisuelle Technik, an den Senefelder Platz gezogen und hatte dort das Medienhaus gegründet. Neben Datenklang entstanden dort Bandprobenräume, Tonstudios und Videoschnittstudios, darüber hinaus mieteten sich auch Labels und Konzertagenturen ein und erweiterten das ständig anwachsende Netzwerk von Kulturschaffenden.
Xenia und René, beide Absolventen der hausinternen Sounddesignerausbildung, mieteten Anfang 2005 die ehemalige Kantine der LPG-Verwaltung im Erdgeschoss des Gebäudes an und eröffneten dort die Zentrale Randlage, Verein für zeitgenössische Medien und urbane Subkultur. Als Schwerpunkt des Clubs bezeichnen sie das interdisziplinäre Zusammenwirken internationaler Künstler und Künstlerinnen aus so unterschiedlichen Genres wie Musik, Film, bildender Kunst und Tanz. Sie öffnen den Raum aber durchaus auch für Vorträge, Diskussionen, Lesungen und Performances.
Statt sich also in die Sommerpause fallen zu lassen, entwarfen sie auf der Stelle ein dichtes Veranstaltungsprogramm für die verbleibenden sechs Wochen. „Wir wollten das mit einem Krachen zu Ende bringen und noch mal zeigen, dass wir da waren“, berichtet Xenia im nahegelegenen Straßencafé. „Alle Künstler, die uns in den letzten Jahren ans Herz gewachsen sind, sollten dort auftreten.“ Das klingt nach Sympathie und die beruht offensichtlich auf Gegenseitigkeit. Das jähe Ende der Zentralen Randlage hatte eine Welle von Beileidsbekundungen ausgelöst, über Zurufe auf der Straße bis zu Kondolenzschreiben aus Irland, Japan und Australien. Nachvollziehbar, wenn man weiß, dass Xenia und René auch als Netzwerker in Aktion treten und nicht ortsansässigen Künstlern über Auftritte hinaus auch schon mal Wohnungen und Kontakte vermitteln. „Wir wollten, dass Künstler, die als Fremde kommen, als Freunde wieder gehen“, lacht Xenia.
Aber es ist nicht nur der besondere Umgangston, der ihnen gutes Feedback von Darstellern und Publikum eingebracht hat. So bewarben sich schon einige Musiker explizit wegen der hervorragenden Raumakustik, die von den Veranstaltern über die Jahre hinweg systematisch optimiert wurde. Ob es am Sound oder an den gemütlichen Sofas liegt: In der Zentralen Randlage finde man sich häufig inmitten eines konzentrierten, fokussierten Publikums wieder, das sich von der Musik berühren lassen kann, ohne mit lautem Gerede die Spannung überkompensieren zu müssen, wie Xenia sich ausdrückt.
„Das Einzige, was du hier nicht findest, ist ein gleichbleibender Vierviertelbeat wie bei Techno, Minimal oder House“, sagt Xenia – die Nachbarn fanden das nicht so gut. Extremkrach, wie ihn die Breakcoreabende produzierten, habe dagegen kaum Beschwerden erzeugt. „Wahrscheinlich weil das von weitem eher wie eine Waschmaschine im Schleudergang klingt“, sagt die Sounddesignerin. Großen Künstlerzulauf haben die Veranstalter auch durch die unmittelbare Anbindung an das Medienhaus am Senefelder Platz, wo es von Musik- und Filmschaffenden nur so wimmelt. Zwischen Aufnahmestudios und Büros lernt man sich kennen, lauscht bei Proben und tauscht Telefonnummern. So entstanden die Kontakte zu Brokof, Raggazi und Kurt Kreikenboom, dem Drummer von Doc Schoko. Letzterer netzwerkte auf eigene Faust und lud seine australischen Lieblingsmusiker Emma Dean und Edward Guglielimo – beides Myspacekontakte – als Live-Acts für seinen Gig im Rahmen des Abschiedsprogramms ein.
Neben Konzerten, Jazz-Sessions und einer Lesung des Verbrecherverlages über Punk in der DDR bietet das komplette Sechswochenprogramm verschiedene Highlights, wie den Breakcore-Abend am 7. September und einen legendären Goldmundabend am 18. September, dem beliebten Independent-Undergroundwanderclub von Holger Goldmund und Falko Teichmann mit entspannender und abwechslungsreicher Loungemusik.
Wie es mit dem Club nach der Schließung weitergehen wird, ist noch unklar. Es gibt diverse Ideen, aber die akustischen Ansprüche an einen Raum in zentraler Randlage sind mittlerweile hoch. „Dadurch fällt ein großer Teil weg“, sagt Xenia nachdenklich, „und der Mietvertrag müsste nächstes Mal mindestens über fünf Jahre gehen.“ Vielleicht findet sich ja etwas in den nächsten sechs Wochen. Oder sie bringen es wirklich mit einem Krachen zu Ende. KATHARINA HEIN
Weitere Infos sind unter www.zentrale-randlage.de zu finden. Mittwochs findet weiterhin die Globusbar statt. Das bedeutet freier Eintritt für alle