: Es wird wieder scharf geschossen
UKRAINE Bei neuen Kämpfen zwischen Regierungstruppen und prorussischen Aufständischen sterben in Donezk und Lugansk mindestens 16 Menschen
GALINA, BEWOHNERIN AUS DONEZK
AUS KIEW BERNHARD CLASEN
Der Krieg ist wieder zurück in der Ostukraine. Bei neuer Gewalt sind mindestens zehn Zivilisten in einem Bus von einem Geschoss getötet worden. Die Gebietsverwaltung von Donezk machte am Dienstag die prorussischen Aufständischen für den Beschuss verantwortlich.
Seit Dienstag steht auch der Tower des Flughafens der ostukrainischen Metropole Donezk nicht mehr. Er war am Vormittag unter heftigem Beschuss der Aufständischen der „Volksrepublik Donezk“ eingestürzt. Der Tower war Symbol des Widerstandes der ukrainischen Truppen, die am Flughafen von Donezk seit Mai einer zahlenmäßig überlegenen Truppe der „Volksrepublik Donezk“ standhalten.
Der Fall des Towers ist ein neuer Höhepunkt in den wieder aufgeflammten Kämpfen in der Ostukraine. Die ganze letzte Nacht sei in Donezk Artilleriebeschuss zu hören gewesen, berichtet der Stadtrat von Donezk auf seiner Internetseite. Besonders intensiv, so die Bewohnerin Galina, sei der Beschuss im Stadtteil Kuibischew gewesen. Dort sei die Wasserversorgung zusammengebrochen. „Es ist schlimmer als im Sommer. Das sind keine Schusswechsel mehr, man schießt aus Panzern, Artillerie und Grad-Raketen“, sagt Galina.
Auch im Gebiet Lugansk sind Opfer der neuen Kämpfe zu beklagen. In dem Lugansker Vorort Krjakowka kamen am Montag ein 13-jähriges Mädchen, ihre Mutter und Großmutter ums Leben. Ukrainische Regierungskräfte berichten über den Tod von drei Soldaten und 30 Verletzte am letzten Wochenende. Beide Konfliktparteien beschuldigen sich gegenseitig, die Waffenstillstandsvereinbarung von Minsk gebrochen zu haben. Die OSZE bestätigt eine starke Zunahme der Verletzungen des Abkommens in den vergangenen Tagen.
Jede Seite bereitet sich auf eine Fortsetzung der Kämpfe vor. Noch in dieser Woche soll im Parlament ein Gesetzentwurf zu einer weiteren Teilmobilisierung eingebracht werden. 2015 sollen weitere 104.000 Männer eingezogen werden. Kiew hat Anfang des Jahres seine Blockade der „Volksrepubliken“ verschärft. Wer diese verlassen oder betreten will, kann das nur noch mit einer Sondergenehmigung der ukrainischen Behörden tun. Bewohner der von den Aufständischen kontrollierten Stadt Kominternova berichteten der OSZE, dass sie ihr Gebiet nicht mehr verlassen könnten. In der Folge seien Lebensmittel und Medikamente in den „Volksrepubliken“ noch knapper geworden. „In Donezk hungern viele Menschen“, berichtet Galina. „Nun kommt zu dem Hunger noch der Krieg.“
Wann ein weiterer Gipfel zur Lösung des Ukrainekonfliktes stattfinden wird, ist derweil weiter unklar. Am Montag endete ein Treffen der Außenminister Deutschlands, Russlands, der Ukraine und Frankreichs in Berlin ergebnislos.