: Schäume sind Albträume
CHEMIE In der Nähe von Flughäfen haben Behörden erhöhte Werte des Schadstoffs PFT im Grundwasser gefunden, die aus Löschmitteln stammen. Sanierungen werden teuer
CHRISTOPH SCHULTE, UBA
VON MORITZ SCHRÖDER
KÖLN taz | In den 80er Jahren, da sah der Linsenbach manchmal aus wie Spülwasser. Teils meterhohe Schaumflocken blieben in den Sträuchern und auf den Wiesen am Rande des kleinen Flusses kleben, der durch die Stadt Binsfeld in Rheinland-Pfalz fließt. So erinnert sich der Anwohner Günther Schneider, Landwirt und Umweltaktivist. Dann wusste er: Auf dem nahen amerikanischen Militärflugplatz hatten sie wieder mit Löschschaum geübt. „Damals dachten wir ja noch, alles ist im grünen Bereich. Die passen schon auf.“ Doch die Löschschäume brachten eine gefährliche Fracht mit.
Bei regelmäßigen Grundwassertests sind rund um den Flugplatz erhöhte Werte der gesundheitsschädlichen Chemikalien PFT gemessen worden – teils betragen sie das Zwanzigfache des Richtwerts. Das gleiche Bild zeigte sich an weiteren Flughäfen in Rheinland-Pfalz. Bei einem Feuerlöschübungsplatz auf dem Militärflughafen in Ramstein lag der PFT-Wert um mehr als das 2000-Fache zu hoch. Die Erklärung: In allen Gebieten wurden PFT-haltige Schäume eingesetzt. Sie bringen brennende Flüssigkeiten wie Kerosin schnell zum Erlöschen.
Laut den Messergebnissen ist das Trinkwasser nicht gefährdet. Doch über den Verzehr von belastetem Fisch oder mit verunreinigtem Wasser gegossenem Gemüse können Menschen die Chemikalien aufnehmen. Für Fische aus einem Weiher in Binsfeld hat das Land daher vor dem Verzehr gewarnt. Auch auf das Bewässern von Gärten aus dem Linsenbach sollten die Haushalte verzichten.
PFT stecken außer in Löschschäumen auch in Wanderkleidung oder Imprägniermitteln. In Tierversuchen zeigten sie sich als krebserregend. Sie sind giftig und können womöglich die menschliche Fruchtbarkeit negativ beeinflussen. Außerdem sind sie fast unzerstörbar: „PFT-Verbindungen werden nicht abgebaut, sie werden in der Umwelt verteilt“, sagt Christoph Schulte, Chemikalienexperte beim Umweltbundesamt.
Seit Juli 2011 dürfen Feuerlöschschäume mit der besonders riskanten PFT-Variante PFOS zwar nicht mehr verwendet werden; bis dahin hatten sich aber bereits große Mengen der Chemikalie in der Umwelt angereichert. Mit den Altlasten kämpfen daher nicht nur die Behörden in Rheinland-Pfalz. Auch beim Flughafen in Nürnberg oder in mehreren Regionen Düsseldorfs überschreiten die Konzentrationen im Grundwasser massiv den Vorsorgewert.
Beispiel Düsseldorf Gerresheim: Dort brannte im Jahr 2001 eine Halle mit Kunststoffteilen. Die Feuerwehr verspritzte Dutzende Kubikmeter des kritischen Löschschaums – der über Böschungen, Abwasserleitungen und Risse im Betonboden versickerte. Hinzu kommen belastete Gebiete nahe dem Düsseldorfer Flughafen.
Die Hersteller haben mittlerweile Schäume ohne PFT auf den Markt gebracht, die das Umweltbundesamt noch prüfen will. Die Städte stehen derweil vor einer anderen Herausforderung: den aufwendigen Sanierungen, die sich über viele Jahre hinziehen werden. Düsseldorf will das belastete Grundwasser in Gerresheim an die Oberfläche pumpen und durch Aktivkohlefilter leiten, um es zu reinigen. „Die Filter müssen anschließend in Sonderanlagen verbrannt werden“, sagt Inge Bantz, Leiterin des Düsseldorfer Umweltamts. „Bei Temperaturen um die 1.200 Grad“ – alles darunter reicht nicht aus, um die widerstandsfähigen PFT-Verbindungen aufzubrechen. Die Kosten können laut Bantz einen zweistelligen Millionenbetrag erreichen, pro Sanierungsfall.
Für den Düsseldorfer Flughafen stellt sich ein noch größeres Problem: Der belastete Boden um das Löschübungsbecken soll beseitigt werden. Für das Verbrennen sind die Mengen zu groß. Eine mögliche Option ist es, die Erde, in abschließbare Boxen gefüllt, „endzulagern“.
Auch in Rheinland-Pfalz sollen Experten nun Ideen für die Sanierung der betroffenen Gebiete sammeln. Das Umweltministerium dämpft aber die Hoffnungen: „Da der Stoff sich überhaupt nicht abbaut und bereits überall zu finden ist, werden wir unsere Umwelt nicht mehr in einen unbelasteten Zustand zurückversetzen können.“