: Eine ganz persönliche Ratlosigkeit
betr.: „Der Lärm war unerträglich“, taz vom 1. 9. 07
Damals, in den 70ern, auf der Suche nach einem Leitbild, nach jemandem, der mir die Welt erklärt, habe ich als Pubertierender die Aktivitäten der RAF zugegebenerweise mit einer gewissen Sympathie verfolgt, schienen sie mir doch Ausdruck dessen, was ich selbst nicht in der Lage war zu artikulieren.
Obwohl meine Eltern keine Nazis waren (viel zu jung), wurde das Dritte Reich totgeschwiegen. Auch in der Schule kein Wort darüber. Praktisch alles, was ich über die Nazis wusste, hatte ich mir damals aus dem Spiegel beim Frisör zusammengereimt, wo mich schon als Bub in den 60ern diese kleinen Schwarzweißfotos von Leichenbergen und ausgemergelten Körpern verunsicherten und mir eine Scheißangst einjagten. Die RAF thematisierte das plötzlich. Prima! Dass die RAF eine Terroristenbande war, habe ich bis zur Ermordung Schleyers verdrängt. Dieser Tag jedoch ist mir ins Gedächtnis eingebrannt wie kaum ein anderer. So empfinde ich den Begriff der „bleiernen Zeit“ mehr als zutreffend. Er beschreibt eine großen Teil der 70er-Jahre. Er beschreibt das Ende der „Luftigkeit“ (wie Herr Feddersen es so schön beschrieben hat), er beschreibt Verrat, Enttäuschung und eine ganz persönliche Ratlosigkeit. Und Gewalt.
Ein echtes Trauma aus einer ziemlich prägenden Zeit. Und bei der Lektüre der taz heute spürte ich überraschend schmerzvoll, dass da noch viel mehr brachliegt, viel Unsicherheit herrscht, gerade über die Jahr(zehnt)e danach, und eine Aufarbeitung nicht wirklich stattgefunden hat. Da kann auch die Flucht in die Hysterie, die wir in letzter Zeit erleben durften, nicht von ablenken. Aber wahrscheinlich ist es dazu längst zu spät. STEFFEN PLÖHN, Berlin