Tödliche Schlüsselübergabe

STAATSTERRORISMUS Die ehemaligen jugoslawischen Geheimdienstgrößen Mustac und Perkovic stehen in München wegen Beihilfe zum Mord vor Gericht. Jetzt belastet sie ein Zeuge schwer

MÜNCHEN taz | Boze Vukusic fürchtet um sein Leben. Denn an diesem Mittwoch hat er als Zeuge gegen die ehemaligen jugoslawischen Geheimdienstgrößen Zdravko Mustac und Josip Perkovic ausgesagt. Auch jetzt noch ist deren Einfluss in Kroatien groß.

„Ich bin überrascht, dass noch niemand Vukusic umgebracht hat“, soll der Sohn des Angeklagten Perkovic gesagt haben. Das hat Vukusic, der früher für den kroatischen Geheimdienst arbeitete, aus „verlässlichen Quellen“ erfahren. So schreibt er es in einem Brief an das kroatische Parlament, der der taz vorliegt. Der Sohn ist derzeit Berater des kroatischen Präsidenten.

Vukusic, ein kleiner Mann mit grauen Haaren, ist einer der Hauptbelastungszeugen im Prozess gegen die ehemaligen hochrangigen Agenten Perkovic und Mustac. Seit Oktober 2014 müssen sie sich in München wegen Beihilfe zum Mord verantworten. Zum ersten Mal könnten die Verbrechen des kommunistischen Regimes vor einem Gericht aufgearbeitet werden.

Konkret geht es um den Mord an Stjepan Durekovic. Der Exilkroate verfasste regimekritische Schriften und wurde im Juli 1983 in einer kleinen Garage im bayerischen Wolfratshausen bei München ermordet. Es glich mehr einer Hinrichtung: Sechs Schüsse feuerten die Killer ab. Als er am Boden lag, hieb einer von ihnen so lange auf seinen Kopf ein, bis er starb.

Mustac, damals Chef des jugoslawischen Geheimdienstes, soll den Auftrag zu diesem Mord gegeben haben. Perkovic wird vorgeworfen, den Mord mithilfe eines von ihm angeworbenem Agenten logistisch vorbereitet zu haben. Er selbst soll den Schlüssel zur Garage von seinem Agenten in Luxemburg bekommen und an die Killer weitergeleitet haben. Der Agent wurde deshalb 2008 in München wegen Beihilfe zum Mord verurteilt. Jetzt stehen seine mutmaßlichen Auftraggeber vor Gericht.

Boze Vukusic ist seine Angst nicht anzumerken. Mehrmals beschuldigt der Zeuge den Angeklagten Perkovic, den Mord angeordnet zu haben.

Vukusic war Mitglied einer Parlamentskommission, die 1992 „Verbrechen an Kriegs- und Nachkriegsopfern“ in Kroatien erforschen sollte. Er hatte Einblick in Geheimdienstarchive und sprach mit hochrangigen Geheimdienstlern wie Ivan Lasic. In einem Ferienhaus bei Split habe dieser ihm erzählt, wie Perkovic in Luxemburg den Schlüssel zum Tatort bekam. Auch in einem Zeitungsinterview erwähnte ein weiterer hoher Geheimdienstmitarbeiter die Übergabe, distanzierte sich später aber wieder davon.

Doch es gibt noch eine weitere Quelle: Vor einem Monat fand der Zeuge Vukusic in seinem Briefkasten eine CD. Darauf: Geheimdienstdokumente, in denen von der Schlüsselübergabe die Rede sein soll. Für Nebenklägeranwalt Markus Meißner wird es damit immer glaubwürdiger, dass Perkovic unmittelbar an dem Mordplan beteiligt war.

Peter Wagner von der Verteidigung dagegen misst Vukusic’ Aussagen keine so große Bedeutung zu. „Wir sind nicht beunruhigt“, sagt er. Seine Strategie ist es, Vukusic als unglaubwürdig darzustellen. Immer wieder betont die Verteidigung, dass Vukusic 1984 in Karlsruhe zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, weil er dazu angestiftet haben soll, einen jugoslawischen Geheimdienstmitarbeiter zu töten. Verdächtig auch, dass er schon nach sieben Jahren Haft nach Kroatien in die Freiheit abgeschoben wurde. Vukusic bestreitet die Tat, sein früher Haftabbruch sei auf eine Petition zurückzuführen, die an den damaligen Präsidenten gerichtet war.

Die Verteidigung kündigte noch weitere Dokumente an, die Vukusic des Diebstahls und der Entführung bezichtigen. Bis jetzt liegt dem Gericht aber nichts vor.

LISA SCHNELL