: „Juristisch kann man die Sache nicht lösen“
Im niedersächsischen Süpplingen sitzt seit fast zwanzig Jahren ein Kommunalpolitiker der NPD im Vorstand der evangelischen Kirchengemeinde. Landesbischof Friedrich Weber beteuert, davon nichts gewusst zu haben
FRIEDRICH WEBER, 58, ist lutherischer Theologe und seit 2002 Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Braunschweig.
taz: Herr Weber, was sagen Sie als Bischof dazu, dass in Ihrer Kirche ein NPD-Politiker im Kirchenvorstand sitzt?
Friedrich Weber: Die Situation ist kompliziert, weil dass jetzt erst als Problem entdeckt worden ist. Das war uns nicht bekannt. Man muss bedenken, wir haben 4.000 Kirchenvorsteher. Wenn er die entsprechende Zahl von Stimmen hat und die Voraussetzungen für das Amt erfüllt, ist er gewählt – wenn er nicht Mitglied einer verbotenen Partei ist.
Das ist er nicht, aber vor Ort ist ja bekannt, dass er bei der NPD ist. Das wissen doch alle.
Ja, sie wussten es, haben es aber offenbar nicht als Problem empfunden.
Über den Fall ist in der Zeit eine Reportage erschienen, in der zu lesen war, dass auch der Pfarrer den Mann schätzt.
Der Pfarrer hat zumindest versäumt, ihn darauf anzusprechen, inwieweit Inhalte des NPD-Parteiprogramms seinem Gelöbnis als Kirchenvorstand widersprechen. Das hätte er klären müssen.
Inwiefern gibt es da einen Widerspruch?
Im NPD-Programm gibt es da einige Punkte, zum Beispiel die Begründung der Menschenwürde. Die wird dort aus Volkstum und Kultur hergeleitet. Der Staat ist für das Volk verantwortlich, weil die Völker Träger der Kulturen sind. Völker, die nicht vom Staat erhalten werden, sind nur Gesellschaften und haben keine Kultur. Aus der Kultur aber entwickelt sich die Würde, heißt es im NPD-Parteiprogramm. Das steht im Widerspruch zu unserer Vorstellung, dass die Würde jedem Menschen gegeben ist.
Es gibt dann Probleme mit Völkern, die außerhalb des Staates leben, der ihre Kultur erhält.
Jemand, der das Parteiprogramm der NPD in jedem Punkt unterschreibt, müsste ein Gegner der multikulturellen Gesellschaft sein. Den Menschen, die nicht zur deutschen Nation gehören, müsste er zumindest in Deutschland die Würde absprechen.
Aber die Botschaft der Kirche ist ja nicht die multikulturelle Gesellschaft.
Nein, es geht nicht um eine generelle Ausgrenzung rechter Politiker und Wähler, das ist nicht das Thema. Es geht darum, ob menschenverachtende Positionen vertreten werden.
Haben Sie Möglichkeiten, dienstrechtlich gegen den Mann vorzugehen?
Man weiß ja nicht, ob er überhaupt das Parteiprogramm gelesen hat.
Sein Bruder ist immerhin stellvertretender NPD-Landesvorsitzender. Vielleicht ist ja was zu ihm durchgesickert.
Also juristisch kann man die Sache nicht lösen, das muss man deutlich sagen. Auch kirchenrechtlich nicht, denn das Kirchenrecht steht nicht außerhalb des Rechts der Bundesrepublik. Was aber geklärt werden muss, und damit ist der Probst beauftragt, ist, dass über diese inhaltlichen Fragen gesprochen wird.
Hatte der Probst etwas mitbekommen?
Nein, vorher hat er das auch nicht gewusst. Sie müssen sich vorstellen, das ist eine Region, die als Folge der Teilung Deutschlands sehr isoliert war. Das ist ein dünn besiedelter Raum mit erheblichen strukturellen Problemen, die mitunter zu der Haltung führen, die man von der ehemaligen DDR hört, dass sich die Menschen als Verlierer der deutschen Einheit fühlen. Was sich im Osten in der Linkspartei niederschlägt, mag sich hier als vermeintlich bürgerlich akzeptables Verhalten in einer Rechtspartei niederschlagen.
Und was, wenn der Mann stur bleibt?
Es gibt eine Kernfrage, die wir stellen müssen, und die hat mit unserer eigenen Verfassung zu tun. Die haben wir vor einiger Zeit ergänzt um einen Artikel, der unser Verhältnis zu den Juden beschreibt. Darüber müsste mit ihm gesprochen werden. Wenn er das ablehnt, dann müsste er den Kirchenvorstand verlassen. INTERVIEW: DANIEL WIESE