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Archiv-Artikel

Wir können Öko

FASHION WEEK Die ganz großen Labels fehlen. Die Chefredakteurin der „Vogue“ lässt sich nicht blicken – und überhaupt: Pünktlich zur Modewoche zweifeln wieder alle an der Modestadt Berlin. Doch das ist falsch

VON NINA APIN

Prada kommt nicht zum Defilee der Großen am Brandenburger Tor, die einst große Streetwear-Messe „Bread and Butter“ ist auf eine Rumpfveranstaltung zusammengeschnurrt. Und sehr viele der rund 800 hier ansässigen Jungdesigner krebsen am Existenzminimum herum. Was ist los mit der Modestadt Berlin? Warum kommen wir hier nicht annähernd auf Augenhöhe mit Modemetropolen wie Paris, London, Mailand, New York? Obwohl wir doch sonst so kreativ sind und überhaupt „the place to be“? Warum nicht für die Fashion People? Und warum war Anna Wintour, die Chefredakteurin der US-amerikanischen Ausgabe der Vogue, noch nie hier?

Die bange Frage, warum der Glamourfaktor fehlt, erschüttert die Stadt routinemäßig zweimal jährlich – immer dann, wenn die Fashion Week vor der Tür steht. Langweilig ist das. Und falsch: Denn der Modestandort Berlin entwickelt sich durchaus, wenn auch vielleicht nicht in Richtung Paris oder Mailand. Während auf den Laufstegen dort von Konzernen aufgekaufte Großlabels abgefeiert werden und alle ängstlich darauf warten, wie Anna Wintour wohl auf die neue Show von Dolce & Gabbana reagieren wird, befühlt hier im Postbahnhof die Grünen-Politikerin Renate Künast ein Kleid aus natürlich gefärbtem Stoff. Renate Künast und Mode?!

Na ja, warum auch nicht: Berlin ist halt nicht gerade die Hauptstadt dessen, was gemeinhin „feminine Eleganz“ genannt wird. Dafür aber auf dem Weg, zur Hauptstadt der nachhaltigen und fairen Mode zu werden. Die entsprechenden Fachmessen, der Green Showroom und die Ethical Fashion Show, können sich vor Ausstellern kaum retten und mussten in größere Räume umziehen. Und seit diesem Jahr führen auf dem Lavera Showfloor mit Naturkosmetik geschminkte Models ökologisch korrekt produzierte Mode vor.

Wir können vielleicht keinen Glamour. Aber Gewissen, das können wir. Ob die aus Baumrinde gefertigten Entwürfe des Jungdesigners Bobby Colade oder die schlichten Kleider von „Nix“ aus recycelten Materialien: immer mehr Modemacher und Konsumenten legen offenbar Wert auf eine ökologisch und sozial verträgliche Fertigung. Und sie treffen sich in Berlin, wo seit einigen Jahren immer mehr Labels, Läden und Ausbildungsgänge für „grüne“ Mode entstehen. Vielleicht macht Berlin demnächst ja auch als Plattform für Models, die nicht nur aus Haut und Knochen bestehen, von sich reden.

Grün und fair, das ist natürlich nur eine kleine Nische auf dem globalen Modemarkt. Aber eine wachsende und sympathische. Seien wir also froh über unsere unaufgeregte Version des jährlichen Modespektakels: Besser Künast als gar keine Haltung.

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