Das Messer im Rücken des Hasen

GEWALT Täglich kommen Opfer häuslicher Gewalt in die Rettungsstellen der Charité. Eine Ausstellung soll auf diese Problematik aufmerksam machen

„Man glaubt gar nicht, was sich Menschen antun können“

CHARITÉ-MITARBEITER WILFRIED WEBER

Auf dem Kinderbett sitzt ein kleiner Plüschhase mit einem Messer im Rücken. Im Schlafzimmer der Eltern liegt ein zerrissenes Nachthemd, im Schrank stapeln sich Beruhigungstabletten. Die nachgebaute Dreizimmerwohnung der fiktiven Familie Bachmair in der „Rosenstraße 76“ soll symbolhaft sein für Familien in Deutschland, in denen Gewalt alltäglich ist. „Wenn man als Außenstehender solche Zeichen sieht, darf man nicht wegschauen“, sagt Wilfried Weber, pflegerischer Leiter der Rettungsstelle am Campus Virchow-Klinikum der Charité.

Um Besucher und Personal des Krankenhauses für das Thema häusliche Gewalt zu sensibilisieren, haben Pflegekräfte die Wohnung von „Familie Bachmair“ auf dem Charité-Gelände in Wedding aufgebaut und mit Infotafeln ausgestattet. „Jeden Tag kommen Patienten zu uns in die Notaufnahme, die von einem Familienmitglied misshandelt worden sind“, erzählt Weber. „Man glaubt gar nicht, was sich Menschen gegenseitig antun können.“ Häufige Verletzungen seien etwa blaue Flecken oder Frakturen.

Anders als bei Patienten, die sich wirklich durch einen Unfall verletzt haben, seien die Opfer häuslicher Gewalt in der Notaufnahme sehr nervös. „Wir versuchen dann, die Patienten darauf anzusprechen und sie darüber zu informieren, wo sie Hilfe finden können.“

Nach Angaben der Aussteller wird jede vierte Frau in Deutschland mindestens einmal im Leben vom eigenen Partner körperlich oder sexuell misshandelt. 45.000 Frauen flüchten jährlich mit ihren Kindern ins Frauenhaus. „Aber auch Männer kommen zu uns“, berichtet Diana Deysing, Pflegekraft am Campus Virchow-Klinikum. Die Hemmschwelle sei indes wesentlich höher und die Dunkelziffer entsprechend hoch. „Die wenigsten Männer wollen zugeben, von ihrer Frau misshandelt zu werden.“ Das traditionelle Bild des Mannes, der keine Schwäche zeigt, spiele noch eine große Rolle.

Bereits vergangenes Jahr sahen sich rund 1.000 Besucher die Ausstellung an – damals auf dem Campus Benjamin Franklin in Steglitz. „Wir haben die Wohnung erneut aufgebaut, damit das Problem der häuslichen Gewalt aktuell bleibt“, so Deysing. „Wer Hilfe braucht, kann jederzeit zu uns kommen.“ JULIA FIEDLER

■ Die Ausstellung „Rosenstraße 76“ in der Glashalle des Campus Virchow-Klinikum, Mittelallee 10, ist bis zum 11. Dezember täglich von 10 bis 18 Uhr, dienstags und freitags bis 20 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei