piwik no script img

Archiv-Artikel

Käufliches Christiania

KOHLE Zum 40. gibt der Freistaat Aktien heraus. Großinvestoren werden mit Lifemusik gelockt

Wieder mal ein „blutiger“ Tag an der Börse? Kein Problem, wenn man sich für die Aktien von Christiania entscheidet. Pünktlich zu seinem 40. Geburtstag gibt der Kopenhagener Freistaat seit Montagnachmittag 16 Uhr „Volksaktien“ heraus (www.christianiafolkeaktie.dk). Die kosten zwischen 20 und 10.000 Kronen – 2,70 bis 1.350 Euro –, werden nicht an der Börse gehandelt, bringen keine Dividende, aber sind nach Christianias eigener Einschätzung „mehr wert als Geld“.

Mit Hilfe dieser Aktien will man nämlich den bereits besiegelten Kauf der Freistaatgebäude vom dänischen Staat, mit dem gleichzeitig auch ein Nutzungsrecht und eine teilautonome Zukunft von Christiania gesichert wurde (siehe taz v. 2. 5. 2011), zumindest teilweise finanzieren. Umgerechnet rund 10 Millionen Euro ist das optimistische Ziel, und je mehr davon wirklich zusammenkommt, um so weniger müssen die 800 EinwohnerInnen von Christiania an erhöhten monatlichen Abgaben an den Fiskus zahlen, mit denen sie ansonsten den Kauf finanzieren. Schon haben einige dänische Kulturpromis Aktien bestellt, doch man hofft auf internationales Echo. „Hat nicht Paul McCartney mal gesagt, er findet Christiania toll?“, fragt Michiko Lundbjerg von der achtköpfigen Verkaufsgruppe: „Vielleicht kauft er ja für eine Million?“

Alle Aktien wurden von Jakob Bue entworfen. Die mit den niedrigen Werten bis 400 Kronen sind industriell hergestellte Drucke, aber auch diese haben eine individuelle Seriennummer. Legt man mindestens 500 Kronen an, gibts handgedruckte Exemplare aus Christianias eigener Druckwerkstatt und für 10.000 Kronen „Goldexemplare“. Dem, der für 100.000 Kronen kauft, verspricht die Christiania-Musikgarde, in voller Montur und unter Musikdarbietung zu Hause vorbeizukommen, um die Aktien persönlich zu überreichen. Kreditkarten werden übrigens auch akzeptiert.

Was bekommt man aber außer einem Stück Papier? „Jedenfalls nicht den üblichen Einfluss von Aktieneigentümern“, sagt Risenga Manghezi von der Christiania-Wirtschaftsgruppe: „Aber den Einfluss, den man schon immer gehabt hat. Nämlich selbst hier vorbeizukommen und zum Leben hier beizutragen, so wie man eben Lust hat.“ Warum aber finanziert sich Christiania nicht einfach über den Cannabis-Verkauf der „Pusher-Street“? Dieses Geld fließe nicht nach Christiania, antwortet Manghezi. Dieses Geschäft sei schon lange in den Händen krimineller Gruppen vor allem aus dem Hells-Angels-Milieu. REINHARD WOLFF