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Archiv-Artikel

Die innere Sicherheit der tageszeitung

RUCH-REPORT Unsere gläserne Zeitungsmanufaktur steht jetzt unter Polizeischutz. Verändert uns das?

Sind wir als taz wirklich bedroht?

Die taz war seit ihrer Gründung immer ein offenes Haus. Gelegentlich führte das in der Vergangenheit schon mal zu Besuchen von ungebetenen Gästen, die der Redaktion mit ganz eigenen Ansprüchen von Pressefreiheit auf die Pelle rückten. Geklärt wurden solche Konflikte immer friedlich, mit Argumenten und etwas Geduld.

Die Idee einer begehbaren taz hatte für uns schon immer einen gewissen Charme. Die Schwelle von der veröffentlichten Meinung zur öffentlichen niedrig zu halten, dazu trägt das direkte Gespräch zwischen den Journalisten und ihren LeserInnen bei. Besuchergruppen nehmen regelmäßig an der morgendlichen Redaktionssitzung im großen Konferenzraum teil. Das taz-Café in der Rudi-Dutschke-Straße ist ein beliebter Veranstaltungsort. Die taz ist eine gläserne Zeitungsmanufaktur – so wirbt das taz Café auf seiner Speisekarte und meint damit auch unser taz-Gebäude, welches Ein- wie Ausblicke ermöglicht. Mit etwas Glück ergattern hier selbst Touristen zur Mittagszeit einen freien Platz zwischen den Mitarbeitenden aus der taz. So kann man ins Gespräch kommen.

Doch seit 10 Tagen hat sich etwas geändert. Wie vor anderen Verlags- und Redaktionsgebäuden in Berlin stehen auch vor der taz Polizeiwannen. Zu unserem Schutz. Dass ein schwerbewaffnetes Killerkommando in die Redaktionskonferenz einer kleinen Zeitung einmarschiert und ein Massaker veranstaltet, gehörte zu einer Art von Ereignissen, die bisher nicht vorstellbar waren. Natürlich ist man in der taz wie in jeder Zeitungsredaktion grundsätzlich auf Sicherheit bedacht. Schließlich geht man mit vertraulichem Material um, will seine Informanten schützen und auch die wertvollen Produktionsmittel. Aber sich selbst zu schützen gehörte bisher nicht zu unserer Alltagsrealität, schon gar nicht in einer Hochsicherheitsatmosphäre.

Für die taz ist das eine neue Erfahrung, die nun zu lebhaften Diskussionen in der Redaktion führt. Wie sollen wir uns dazu verhalten? Sind wir wirklich bedroht? Beeinflusst die Anwesenheit der Polizei unsere Arbeit? Geht es KollegInnen in Krisengebieten nicht viel schlechter? Und haben wir uns bisher zu wenig Gedanken über unsere eigene Sicherheit gemacht?

Die Polizisten werden irgendwann wieder abziehen, das flaue Gefühl der Betroffenheit schwinden, aber die traurigen Realitäten bleiben. In ein paar Jahren zieht die taz an ihren neuen Standort in direkter Nachbarschaft der Akademie des Jüdischen Museums. Für diese gelten aus gutem Grund rund um die Uhr hohe Sicherheitsstandards. Diese misslichen Umstände zu überwinden, dazu kann eine freie Presse beitragen.

Karl-Heinz Ruch, 60, ist Gründer und Geschäftsführer der taz.