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Archiv-Artikel

„Viel mehr Wirkung“

LESUNG Roman „Die bleichen Füchse“ thematisiert die Außenseiterstellung von Immigranten in Paris

Claudia Steinitz

■ 53, übersetzte den Roman „Die bleichen Füchse“ von Yannick Haenel vom Französischen ins Deutsche.

taz: Frau Steinitz, wie passt Yannick Haenels Buch „Die bleichen Füchse“ in die tagespolitische Situation?

Claudia Steinitz: Als ich die Bilder der letzten Tage aus Paris gesehen habe, hatte ich zunächst das Gefühl, dass sie das Buch illustrieren. Das Buch erzählt ja auch von einer großen Demonstration, die immer weiter wächst und am Ende Paris besetzt. Es ist sowohl im Buch als auch in der Realität eine Solidaritätsbekundung mit Opfern. Allerdings sind die Opfer sehr verschieden. Bei Haenel tragen die Demonstranten Masken, denn sie sind illegal und werden vom Staat verfolgt. Sie hätten also nicht am letzten Sonntag mit den Staatsmännern in der ersten Reihe demonstrieren können. Gemeinsam ist beiden Demonstrationen das mächtige Symbol der Solidarität.

Islamisten auf der einen, Rechtsextremisten auf der anderen Seite: Welche Rolle spielt kritische Literatur wie Haenels Buch, wenn Menschen sich radikalisieren?

Ich denke, dass man da in Deutschland anders herangeht als in Frankreich. Dort hat politische Literatur viel mehr Wirkung als bei uns, wo man sie nur als Literatur liest und dann in die Schublade legt – zu meinem Bedauern –, ohne ein Bewusstsein damit zu verändern.

Die Begriffe Toleranz und Meinungsfreiheit sind derzeit in aller Munde. Welche Aussage macht das Buch dazu?

Das Buch bekennt sich auf radikale Weise zu Toleranz und Meinungsfreiheit und zwar zu einer, die weit über das hinausgeht, was demokratische Staaten in Europa anzubieten haben. Es ist allerdings ein sehr literarisches Buch, das nicht zum Pamphlet taugt, auch wenn es immer wieder Elemente davon enthält.

Unterscheidet sich die Situation von Flüchtlingen in Deutschland und Frankreich?

Als ich das Buch übersetzt habe, habe ich gleichzeitig für „Lampedusa in Hamburg“ demonstriert und das war einfach die gleiche Geschichte.

Anstelle eines Eintritts wird bei der Lesung um Spenden gebeten, mit denen Deutschunterricht für Flüchtlinge finanziert werden soll. Welches Signal wird damit gesendet?

Die Aussage ist klar: Kein Mensch ist illegal. Jeder Mensch, der hier herkommt, muss unterstützt werden und Hilfe finden. Integration funktioniert natürlich nur, wenn auch die Sprache da ist.  INTERVIEW: ANNA WESSLING

Lesung: „Die bleichen Füchse“ von und mit Autor Yannick Haenel und Übersetzerin Claudia Steinitz: 20 Uhr, Buchhandlung Christiansen, Bahrenfelder Str. 79