Es gibt keine saubere Kleidung

MODE Gisela Burckhardt beleuchtet in „Todschick“ die miesen Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie von Bangladesch und die Verstrickung deutscher Unternehmen

Die geplante Einführung eines Textilsiegels durch den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sei ein Schritt in die richtige Richtung, schreibt Gisela Burckhardt

VON KNUT HENKEL

Die Idee zu „Todschick“ sei ihr bei Günther Jauch gekommen, sagt Gisela Burckhardt. „Da hat der Vertreter des Gesamtverbands textil + mode behauptet, dass die Mitglieder seines Verbands zwar im Ausland produzieren, aber unter sauberen Bedingungen.“ Das war am 2. Dezember 2012 und diskutiert wurde in Jauchs Sendung über den Brand in der Tazreen-Fabrik in Dhaka in der Woche zuvor. 112 Menschen verbrannten in dem neunstöckigen Gebäude in der Hauptstadt Bangladeschs, mehrere Hundert verletzten sich beim Springen aus dem Fenster schwer, Ausgänge und Treppen waren blockiert.

Fünf Monate später ereignete sich die Tragödie von Rana Plaza. In der Stadt Sabhar stürzte ein ganzer Gebäudekomplex ein und begrub viele ArbeiterInnen unter sich: 1.134 Tote und 1.800 Verletzte, davon 362 mit schweren Arm- und Beinverletzungen und weitere 205 mit Wirbel- und Hüftverletzungen, waren zu beklagen. Fehlende Statik- und Feuerschutzinspektionen haben zu den beiden Unglücken geführt. Sie brachten Bangladesch weltweit in die Schlagzeilen, als Land, in dem Arbeitsrechte und Sozialstandards keine Rolle spielen, Überstunden erzwungen, Näherinnen sexuell belästig werden und in dem Hungerlöhne gezahlt werden.

Sind es nur Discounter wie KiK, Aldi und Lidl oder große Handelsunternehmen wie H&M oder C&A, die in Fabriken produzieren lassen, in denen Statik und Feuerschutz nur auf dem Papier existieren? Dieser Frage ist Gisela Burckhardt bei ihren Recherchen zu ihrem Buch „Todschick“ vor Ort nachgegangen. Sie wollte auch ergründen, ob es „saubere“ Fabriken gibt, die Mode für Edelmarken von Hugo Boss über Tommy Hilfiger bis Armani herstellen.

Unfaire Bedingungen

Wie die von Gisela Burckhardt beauftragte lokale Nichtregierungsorganisation Rise (Research Initiative for Social Equity) recherchiert hat, gibt es diese nicht. Sie hat gleich zwei Fabriken ausfindig gemacht, wo Strick- und Webwaren für Hugo Boss, Tommy Hilfiger, aber auch für Esprit, H&M und C&A gefertigt werden. Faire Bedingungen – Fehlanzeige. Mit dem verantwortungsvollen Handeln, das Hugo Boss seinen Kunden im Geschäftsbericht zusichert, ist der Umgang in den beiden Fabriken in Chittagong und Kunia nicht vereinbar. In beiden Produktionsstätten sind Gewerkschaften laut der Rise-Studie unerwünscht, es fehlt ein Betriebsrat, Frauen und Männer werden zu Überstunden genötigt. Auch beim Mutterschutz gibt es mindestens in einer der beiden Fabriken Defizite, und die Löhne liegen nur in einer der beiden Fabriken über dem Mindestlohn.

Viel zu wenig, um als Alleinverdienende eine Familie zu ernähren, schreibt Gisela Burckhardt. Deshalb plädiert sie dafür die Unternehmen in die Pflicht zu nehmen.

„Die Politik muss stärker regulieren, konkrete Vorgaben bei Haftung und Sorgfaltspflicht machen“, fordert die Vorsitzende der Frauenrechtsvereinigung Femnet. Das hätte auch den positiven Effekt, dass es wieder zu gleichen Wettbewerbsbedingungen käme. Derzeit profitieren jene Unternehmen, die sich nicht um Sozialstandards kümmern, doppelt, ärgert sich Burckhardt. Sie profitieren von Dumpingpreisen und sparen Geld, da sie nicht in die Fonds für die Opfer von Rana Plaza einzahlen. Das sind Argumente für die Einführung einer Unternehmenshaftung, wodurch die Opfer von Rana Plaza zumindest die Chance hätten, Unternehmen wie die Adler Modemärkte, die nachweislich in zumindest einer der vier Fabriken von Rana Plaza produziert haben und sich weigern in den Fonds einzuzahlen, zu verklagen.

Mit dieser Forderung ist Burckhardt, die sich seit Langem in der Kampagne für saubere Kleidung engagiert, in guter Gesellschaft. Auch der UN-Menschenrechtsrat hat in seinen „Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte“ die Sorgfaltspflicht und die Einführung juristischer Beschwerdemechanismen angemahnt. Davon ist man in Deutschland noch weit entfernt. Dagegen sieht Burckhardt die geplante Einführung eines Textilsiegels durch den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Gerd Müller (CSU), als einen Schritt in die richtige Richtung. Es setzt die Industrie unter Druck.

■ Gisela Burckhardt: „Todschick. Edle Labels, billige Mode – unmenschlich produziert“. Heyne Verlag, München 2014, 239 S., 12,99 Euro