: Fußball vor Gericht
Juristische Nachspiele auf dem Rasen: In der Kreisliga Berlin wurde wegen rassistischer Vorfälle erst eine Begegnung wiederholt, nun eine zweite – und ein Ende ist nicht in Sicht
BERLIN ■ taz Vor dem Spiel am Dienstagabend machte Claudio Offenberg seinen Spielern die historische Dimension dieser Begegnung bewusst. „Es wird die erste und letzte Partie dieser Art für euch sein“, sagte er in der Kabine. Das Berliner Landgericht hatte nämlich dieses Spiel aus der Berliner Kreisliga B zwischen dem jüdischen Verein Makkabi II und Marienfelder SV II neu angesetzt. Ein seines Wissens einmaliger Vorgang im deutschen Fußball, wie Bernd Schultz, der Präsident des Berliner Fußballverbandes (BFV), verärgert feststellte. Aus seiner Sicht hat Makkabi mit dem Gang vors Landgericht die Autonomie der Sportgerichtsbarkeit untergraben.
Hasstiraden
Am Dienstagabend dürfte aber sein Unmut verflogen sein. So mancher vom Verband werde triumphiert haben, mutmaßte Offenberg nach der 1:2-Niederlage gegen Marienfelde. Denn nun bleibt es voraussichtlich dabei, dass das Team von Makkabi II nicht in die Kreisliga A aufsteigt. Eine Auffassung, die der BFV im Streit mit Makkabi stets vertreten hat. Die Geschichte des Konflikts geht auf das Spiel vom 29. September zwischen Altglienicke II und Makkabi II zurück, das überregional für große Schlagzeilen sorgte. Die Makkabi-Spieler mussten in Altglienicke antisemitische Hasstiraden über sich ergehen lassen, ohne dass der gastgebende Verein etwas dagegen unternahm. In einem Sportgerichtsverfahren setzte der BFV unter anderem die Wiederholung der Partie fest. Hierbei trat Altglienicke II mit sieben Spielern aus ihrer ersten Mannschaft an und gewann 4:1. Makkabi protestierte zuerst mit Erfolg gegen die Wertung des Spiels. Mittlerweile hatte Altglienicke wiederum gegen diesen Entscheid Einspruch eingelegt.
Anstatt fristgemäß während der Saison darüber zu entscheiden, revidierte der BFV erst in der Sommerpause die Spielwertung. Man befand, Altglienicke hätte doch im Rahmen der Verbandsregeln gehandelt. Makkabi bekam wieder drei Punkte abgezogen und war damit nicht aufgestiegen. Wie das Landgericht feststellte, beging der BFV allerdings massive Rechtsfehler. Makkabi wurde nämlich über den Einspruch von Altglienicke nicht informiert. Indem man das letzte Spiel der Saison 2006/07 gegen Mariendorf für Dienstag neu ansetzte, wollte das Landgericht die Verfahrensfehler des BFV „heilen“, wie es im Juristendeutsch heißt.
Das ist jedoch nicht gelungen. Denn genau genommen hätte Makkabi drei Runden vor Saisonschluss vom Einspruch Altglienickes erfahren müssen. Drei Wiederholungsspiele wären also nötig gewesen. Das hielt man wohl nicht für praktikabel. Gegen Marienfelde glänzten die Spitzenfunktionäre des BFV durch Abwesenheit. „Wegen einer Sitzung“, wie Präsident Bernd Schultz sagte. Lediglich der Gewaltpräventionsbeauftragte des Verbandes, Mathias Ramsauer, war da. Er sagte immerhin selbstkritisch: „Wenn man einen Fehler macht, muss man auch Honorigkeit zeigen. Hätte man Makkabi aufsteigen lassen, wäre die Kuh vom Eis gewesen.“ In der Vergangenheit hätte der BFV auch in anderen Streitfällen Ligen aufgestockt.
Keine Großzügigkeit
Gegenüber Makkabi zeigt man aber keinerlei Großzügigkeit. Vor der Partie gegen Marienfelde widersprach man der Auffassung von Makkabi, sie müssten das Spiel lediglich gewinnen. Es hieß, gemäß Tabellenstand vom Mai 2007 bräuchte Makkabi einen Sieg mit 12 Toren Abstand, um aufzusteigen. Im Landgerichtsurteil steht jedoch, Makkabi sei „bei einem Sieg vorläufig als 17. Mannschaft zum Spielbetrieb der Kreisliga A zuzulassen“. Ein Ende des Konflikts ist auch nach dem Spiel gegen Marienfelde nicht in Sicht. Makkabi nutzte nämlich die ausdrückliche Erlaubnis des Landgerichts, um mit ihrer ersten Mannschaft gegen Marienfelde anzutreten. Die Gäste boten jedoch ebenfalls ihr erstes Team auf. Aus Sicht von Makkabi zu Unrecht und auf Drängen des BFV. Tuvia Schlesinger, der Präsident des Vereins sagte, man werde prüfen, ob man juristische Schritte einleiten wolle.
JOHANNES KOPP