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Archiv-Artikel

„Lucke hat das Feld geöffnet“

AFD Buchautor Sebastian Friedrich sagt: Dass die Partei nach rechts rückt, liegt auch an der Strategie ihres Vorsitzenden. Das zeige sich auch an dessen Umgang mit Pegida

Sebastian Friedrich

■ 29, lebt in Berlin, ist Publizist und promoviert derzeit in Bildungswissenschaften zum Arbeitslosigkeitsdiskurs in der Bundesrepublik. Außerdem ist er Redakteur von kritisch-lesen.de. Sein Buch „Der Aufstieg der AfD. Neokonservative Mobilmachung in Deutschland“ erscheint im Verlag Bertz + Fischer und ist ab dem 21. Januar erhältlich.

INTERVIEW ERIK PETER

taz: Herr Friedrich, die AfD-Führung hat sich darauf geeinigt, dass die Partei bis Dezember von einer Doppelspitze geleitet wird und ab dann von einem alleinigen Vorsitzenden. Damit hat sich Bernd Lucke durchgesetzt. Sind Sie überrascht?

Sebastian Friedrich: Ja, das war nach den heftigen Auseinandersetzungen in der vergangenen Zeit nicht unbedingt zu erwarten. Man kann aber davon ausgehen, dass der rechte Flügel die Überlegung angestellt hat, ob Lucke jetzt schon abgesetzt werden kann oder erst zu einem späteren Zeitpunkt. Noch scheint man nicht auf ihn verzichten zu können. Aber das wird nicht das Ende der Machtkämpfe bedeuten.

Worin liegen die Unterschiede zwischen Lucke und Hans-Olaf Henkel auf der einen Seite und dem Flügel um Alexander Gauland und Frauke Petry auf der anderen?

Die Darstellung, dass Lucke und Henkel dem liberalen Flügel angehören, ist falsch. Henkel repräsentiert das mittlerweile kaum noch vorhandene Lager, das sich nicht nur in wirtschaftspolitischen, sondern zum Teil auch in gesellschaftspolitischen Fragen liberal positioniert. Lucke gehört aber nicht dazu. In einem Interview hat er selbst gesagt, dass er kein Liberaler ist. Lucke nimmt die Rolle des Zentristen ein, der die Flügel zusammenhält.

Aber er war doch heftigen Angriffen vom rechten Flügel ausgesetzt. Wo liegen also die Differenzen?

Da geht es weniger um Inhalte als um eine Machtfrage. Sicher gibt es unterschiedliche Positionen zu Russland oder TTIP, aber das ist kein fundamentaler Disput. Eine größere Rolle spielt Luckes autoritärer Führungsstil, an dem es schon lange Kritik gibt. Politisch ist Lucke von den Nationalkonservativen aber nicht so weit entfernt. Für die Verschiebung der Partei nach rechts ist er maßgeblich verantwortlich.

Wie das?

Lucke hat das Feld für diese Personen und ihre Inhalte geöffnet. So hat er im Herbst vergangenen Jahres in einem Rundschreiben an alle Mitglieder Thesen zum Islam aufgestellt, in denen er die Aussage des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, der Islam gehöre zu Deutschland, als falsch und töricht bezeichnete. Damit hat er dem antimuslimischen Flügel erst die Möglichkeit gegeben, das Thema zu einem der AfD zu machen.

Gegen Pauschalisierungen bei der Islamkritik hat er sich aber verwahrt.

Es ist seine Strategie, zwischen den verschiedenen Positionen zu changieren. Er bedient selbstverständlich beide Flügel. Das fällt auch bei seiner Haltung zu Pegida auf. Mal distanziert er sich vorsichtig von den Demonstrationen in Dresden, mal verkündet er, dass er diese gut und richtig findet. Er selbst mag gar nicht so rassistisch wie weite Teile der Partei eingestellt sein, aber er hat sich für eine strategische Rechtsausrichtung stark gemacht.

Woran ist die Verschiebung der Partei festzumachen?

Die AfD war von Anfang an darauf ausgelegt, eine rechte Sammlungspartei zu sein. Sie war nie nur eine national-neoliberale Anti-Euro-Partei. Das Thema Eurokritik war allerdings ein perfektes Einstiegsthema, um das gespaltene rechte Lager zwischen CDU, FDP und NPD zu einen. Doch mit der Zeit haben sich die Liberalen, die auch gesellschaftspolitisch liberal eingestellt sind, vollkommen zurückgezogen.

Was heißt das inhaltlich?

Vor allem an der Programmatik bei den Landtagswahlkämpfen konnte man das gut sehen. Der Euro spielte fast keine Rolle mehr. Stattdessen ging es um Themen wie Familie als Keimzelle der Gesellschaft und vor allem die sogenannte Grenzkriminalität. Die Partei nähert sich damit ihrer Mitgliedschaft an, denn diese steht weit rechts von dem, was der Bundesvorstand macht.