: Editorial: Was Senioren lesen wollen
Treppenlifte, Nahrungsergänzungs-mittel und Inkontinenzhilfen - Beiträge und Kleinanzeigen zu diesen und ähnlichen Themen finden sich schon lange in Zeitungen und Illustrierten. Lange ließen sie den Eindruck entstehen, dass alte Menschen fast immer krank und schwach sind. Beiträge über Forderungen nach höherer Rente, die nur auf Kosten der Jüngeren finanzierbar sei, zeigten Alte als raffgierige Egoisten. In letzter Zeit verändert sich das Bild, das die Medien von den Alten zeichnen: Sie werden als lebenslustig und fit dargestellt, sie reisen, treiben Sport, haben außergewöhnliche Hobbys und sehen toll aus. Toll heißt in erster Linie: jugendlich.
“Alt sein ist schön und in.“ Wenn man solche Artikel genauer liest, fällt auf, dass fast immer wirtschaftliche Interessen dahinterstehen. “Mit den Alten an die Spitze“ heißt es auf der Titelseite der Neuen Ruhr/Rhein Zeitung im Juli 2007. Und der Untertitel macht es noch deutlicher: „Über 50-Jährige werden die wichtigste Konsumgruppe“. Auf der Wirtschaftsseite derselben Zeitung steht: „Die Generation Silber im Blick - Die Wirtschaft hat die Marktposition der Senioren erkannt, doch ihr fehlt der richtige Zugang, kritisieren Fachleute“.
Schön, wenn Produkte und Dienstleistungen entwickelt werden, die älteren Menschen den Alltag erleichtern, aber ist Alter(n) nur schön, wenn man Geld und Zeit hat? Soll und kann man sich ein angenehmes Alter kaufen? Was ist mit den Senioren, die dies nicht können oder wollen? Wo bleiben wichtige Dinge, die ein positives Altern ermöglichen? Nicht nur körperlich, sondern auch geistig fit sein; neugierig bleiben, am Leben teilnehmen, Kontakte zu Menschen jeden Alters pflegen; sich dem Konkurrenzkampf mit anderen Senioren um Jugendlichkeit und Fitness entziehen; genießen, was man hat. Tipps und Anregungen zu diesen Fragen finden sich in der Mülheimer Seniorenzeitung Alt? na und!. Wie werden Senioren in Zukunft leben? Und was bedeutet das für den Inhalt der Zeitung?
Drei Themenschwerpunkte sind heute, aber sicher auch in den nächsten Jahren für Alt? na und! wichtig: Wohnen im Alter in einer seniorengerechten Stadt, aktive Gestaltung des Lebens in der Stadt durch ehrenamtliches Engagement und die Verständigung und das Miteinander von Jung und Alt. Die „Zeitung der Zukunft“ zeigt Senioren: . die nicht in Schubladen gesteckt werden (“lieben Volksmusik und klassische Gedichte“)
. die ihr Alter genießen, ohne auf die Versprechungen der Werbung hereinzufallen (machen Produkte wie „Pro-Age“-Duschgel und “Anti-Aging“-Körperlotion das Leben im Alter und den alten Menschen schöner?)
. die interessiert und aktiv an der Lebensgestaltung in ihrer Umgebung, in ihrer Stadt teilnehmen. Natürlich gibt es kranke und finanziell schwache alte Menschen, für die andere Überlegungen wichtig sind. Um ihnen ein lebenswertes Alter zu ermöglichen, gibt es noch viel zu tun. Die „fitten Alten“ aber wollen nicht alt sein, jedenfalls nicht so genannt werden. Warum nicht? Ist Alter (immer noch) ein Makel? Kann man den vermeintlichen Makel durch Kaufen und Konsumieren eliminieren? Und wie wäre es mit der Haltung „Ich bin alt! Na und?“?
Gabi Strauss-Blumberg, 57 Jahre, Redaktionsleiterin