: Poker um mehr Einfluss im Jemen
MACHTKAMPF Huthi-Rebellen setzen Präsident Hadi fest und fordern die Neubildung der Verfassungskommission
SANAA/BERLIN ap/afp/taz | Bei dem Machtkampf im Jemen haben Huthi-Rebellen nach Angaben von Präsidentenberatern Staatschef Abed Rabbo Mansur Hadi festgesetzt. Der Präsident könne seine Residenz in der Hauptstadt Sanaa nicht verlassen, nachdem die Rebellen Kontrollposten davor errichtet und Kämpfer in dem Anwesen stationiert hätten, sagten zwei Berater am Mittwoch.
Die Huthi-Rebellen festigten nach zweitägigen schweren Kämpfen ihre Kontrolle über die Hauptstadt und stellten Forderungen nach mehr Beteiligung an der Macht. Sollte Hadi darauf nicht eingehen, lägen in einer „revolutionären“ Situation alle Optionen auf dem Tisch, sagte ihr Führer Abdel-Malek al-Huthi am Dienstagabend in einer Fernsehansprache.
Al-Huthi machte klar, dass er aus einer Position der Stärke mit Hadi zu verhandeln gedenke. Al-Huthi verlangte die Neubildung der Verfassungskommission. Im neuen Grundgesetz müsse eine stärkere Beteiligung der Schiiten verankert werden. Einer seiner Berater sagte, die Huthi verlangten den Posten des Vizepräsidenten. Eine neun Seiten lange Liste mit Forderungen nach hohen Ämtern sei vorgelegt worden, sagte der Gewährsmann.
In der Hauptstadt Sanaa herrschte am Mittwoch angespannte Ruhe. Huthi-Rebellen waren vor allem an Stellen postiert, an denen es am Montag und Dienstag Kämpfe gegeben hatte. Im Südjemen schlossen die Behörden am Mittwoch den zweitgrößten Flughafen des Landes in Aden, um Hadi zu unterstützen. Auch der Hafen wurde dichtgemacht. Damit protestierte der Sicherheitsausschuss der südlichen Provinz Aden nach eigenen Angaben gegen die „Angriffe auf das Symbol der nationalen Souveränität und konstitutionellen Rechtmäßigkeit“, den Präsidenten.
Die Huthi, die in einer seit Jahrzehnten vernachlässigten armen Region im äußersten Norden des Landes leben, sind nach Hussein Badr al-Din al-Huthi benannt, den Führer ihres ersten Aufstandes im Jahr 2004. Sie firmieren aber auch unter dem Namen Ansar Allah, was „Partisanen Gottes“ bedeutet. Sie sind Zaiditen, eine Minderheitenströmung des schiitischen Islam. Etwa ein Drittel der Jemeniten gehört dieser Glaubensrichtung an. Bis zur Revolution im Jahr 1962 waren in Sanaa fast 1.000 Jahre lang zaiditische Herrscher an der Macht. Bei dem aktuellen Konflikt geht es in erster Linie aber um die Forderung der Huthi nach mehr politischem Einfluss.
Den Jemen kontrollieren sie heute allerdings ebenso wenig wie die Regierung, die Separatisten im Süden oder al-Qaida, hinzu kommen einflussreiche Stämme mit unterschiedlichen Loyalitäten.
Der aktuelle Streit geht letztlich zurück auf das arabische Revolutionsjahr 2011, als der Langzeitpräsident Ali Abdullah Saleh im Zuge von Verhandlungen in Saudi-Arabien zum Rücktritt gezwungen wurde; bis heute lebt er aber weiter im Jemen und hat politischen Einfluss. Im Rahmen eines Nationalen Dialogs, der vor einem Jahr beendet wurde, ging es unter anderem um eine stärkere Föderalisierung des Landes. Vorgesehen sind sechs halbautonome Regionen. Dies lehnen die Huthi ab, weil sie darin eine Schwächung ihres Einflusses sehen. Auch die Separatisten im Süden sind dagegen, weil ihre beiden Regionen dann vier anderen gegenüberstünden, die sie leicht überstimmen könnten.
Nach einer Streichung von Subventionen marschierten etwa 30.000 Anhänger der Huthi auf die Hauptstadt zu und übernahmen dort im September de facto die Kontrolle. Sie forderten die Rücknahme der Kürzungen und den Rücktritt der Regierung. Einem Abkommen, das den Abzug aller bewaffneten Kräfte außerhalb der staatlichen Organe vorsah, folgten sie nicht. Bislang haben sie aber auch nicht den Rücktritt des Präsidenten gefordert. Daher kann es sein, dass es sich bei den Ereignissen der letzten Tage und bei der Festsetzung Hadis um einen weiteren Baustein im Poker um Macht und Einfluss handelt. B.S.