: Wortakrobaten im Wedding
POETRY SLAM Ein Neuntklässler veranstaltet in den Osramhöfen einen Dichterwettstreit. Zur zweiten Auflage hat sich der deutsche Meister angekündigt
Der Hinterhof vor dem Restaurant LaLuz in den Weddinger Osramhöfen füllt sich langsam. Mädchen mit Strumpfhosen und Ponyfrisur nuckeln an ihren Beck’s-Flaschen, die Jungs rauchen Selbstgedrehte. Das Publikum ist jung, ebenso wie derjenige, der hierher per Facebook und Flyer eingeladen hat: Robin Isenberg ist Schüler und nun Mit-Initiator des ersten Wedding Slam. Neun DichterInnen treten mit selbstgeschriebener Lyrik und Prosa in zwei Runden gegeneinander an. Wer im Finale den größten Applaus vom Publikum erntet, gewinnt.
Einen Tag nach der Premiere im LaLuz sitzt Robin Isenberg, schlichtes T-Shirt, schwarze Jeans, geordnete Strubbelfrisur, im Mauersegler in Mitte und zieht fröstelnd die Schultern hoch. Es ist kühl. Der 15-Jährige hat gute Laune: Im kleinen Theatersaal im LaLuz sind am Vorabend nur wenige Stühle frei geblieben, das Publikum hatte auch etwas holprigere Dichtversuche wie der einer Liebeserklärung an einen Teller Rippchen mit Applaus bedacht und schließlich enthusiastisch die temporeiche Lyrik des Siegers Daniel Hoth beklatscht.
„Der Wedding braucht einen Slam“, sagt Robin Isenberg. Dass der Stadtteil nun einen bekommen hat, ist vor allem sein Verdienst. Zusammen mit Dichterkollegin Svenja Gräfen hatte er durch den Abend geführt, mit sichtlichem Spaß und auch souverän, als eine Teilnehmerin statt eines eigenen Werks einen Songtext vom längst vergessen geglaubten Mädchen-Trio Tic Tac Toe vorträgt. Die schummelnde Dichterin hat er disqualifiziert.
Nervös sei er bei der Premiere der eigenen Veranstaltung nicht gewesen. „Nee, ich stehe gern auf der Bühne“, zuckt der Schüler die schmalen Schultern.
„Der Junge hat eben Talent“, sagt Co-Organisator Wolf Hogekamp. Der Veranstalter des Kreuzberger Bastard Slam, des ältesten Dichterwettbewerbs der Stadt, will sich aber nicht in der Rolle des Mentors sehen. „Wir teilen uns die Verantwortung für den Wedding Slam.“ Recht viel Druck für einen 15-Jährigen. Aber Robin, sagt Hogekamp, könne damit schon ganz gut umgehen.
Es läuft aber auch ziemlich gut für den Neuntklässler vom Tegeler Humboldt-Gymnasium: Mit seinen eigenen Texten ist er Dauergast auf den Berliner Slam-Bühnen, nun also die erste eigene Veranstaltung. Dass er den Slam-Veteranen Hogekamp zum Mitmachen bewegen konnte, ist eigentlich schon ein Erfolg für sich, denn der hat eigentlich genug zu tun. Demnächst wird sein „tot oder lebendig“-Slam in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz neu aufgelegt.
Das Wedding-Projekt ist dem Kreuzberger trotzdem wichtig. „Der Kiez ist spannend“, sagt er. „Es gibt hier zunehmend interessiertes Publikum.“ Ein erster Versuch, im Alhambra-Kino an der Seestraße einen Slam zu etablieren, scheiterte im Frühjahr an der teuren Saalmiete. Im LaLuz soll der Wedding Slam nun jeden ersten Mittwoch im Monat stattfinden. Die 80 Leute, die sich zur Premiere eingefunden und an Rotwein und Flaschenbier genippt hatten, sind ein guter Anfang: Vor allem StudentInnen und Kreative sind gekommen, die allesamt auch ganz gut nach Kreuzberg oder Neukölln passen würden.
Auf der Terrasse des Mauerseglers ist es dunkel geworden, drinnen werden derweil ein paar Klappstühle und ein Mikrofon aufgestellt: die Bühne für den AckerSlam. Robin schafft es heute nicht ins Finale. Macht nichts, sagt er, bald sei er wieder Herr im Ring seines eigenen Slam und da gebe es einen ziemlichen Erfolg zu vermelden: Bei der zweiten Veranstaltung an diesem Mittwoch tritt der aktuelle deutsche Meister Patrick Salmen im LaLuz auf. ANNA KLÖPPER