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Archiv-Artikel

HEMIPENES, ESSEN UND PORNOPARODIE Schluss mit Bienen und Blumen

HEIKO WERNING

Viele Eltern fühlen sich unwohl dabei, mit ihren Kindern über Sex zu sprechen. Bei uns ist das gar kein Problem. Bei uns gibt es auch keine Blumen und keine Bienen. Wir pflegen zu Hause Reptilien, da gibt es viel anschaulichere Beispiele.

„Was machen die Leguane denn da?“ „Die machen Babys. Siehst du, das Männchen steckt einen seiner beiden Hemipenes …“ „Was?“ „Na, die haben halt zwei Puller. Einer davon wird jetzt also beim Weibchen in die Kloake, also, das ist so was wie die Scheide, reingesteckt, das geht, weil die da so spezielle Dornen am Puller haben, und da passt nur der Puller von dem Leguan hier in das Weibchen und nicht der Puller von dem anderen Leguan da drüben, damit auch immer die richtigen Leguane miteinander …“ „Was gibt’s denn zu essen heute?“

Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Kinder gar nicht so von dem Thema fasziniert sind. Oder bei den Landschildkröten im Zoo. Da sieht man das ja praktisch immer, weil das Männchen zur Paarungszeit wirklich dauergeil ist. Es reitet von hinten auf die Partnerin auf, schiebt dann seine Kloake unter ihren Schwanz, versucht dabei, sich mit seinen Vorderbeinen auf ihrem Panzer aufzustützen, was zugegebenermaßen eher unfreiwillig komisch aussieht, dann klöckelt es los. Im Grunde wie bei Menschen, nur quasi in Zeitlupe. Die Kinder gucken konsterniert: „Was machen die denn da?“ „Na ja, die haben Sex. Die machen Kinder.“ „Habt ihr das auch so gemacht?“

Ich gucke zu den Schildkröten. Sehr langsam lässt das plumpe Männchen seinen Bauchpanzer auf den Rückenpanzer des Weibchens schlagen, es gibt einen tockernden Knall, dabei reißt es das Maul auf und sieht unterm Strich bescheuert aus. „Äh, ja. So ähnlich zumindest“, laviere ich.

Jetzt fängt das Männchen an zu stöhnen. Schildkrötenmännchen stöhnen irritierend menschenähnlich. Fast wie eine Porno-Parodie. Schon wie Sex-Gestöhne, nur überzogen, zu theatralisch und vor allem: zu langsam. Dazu dieses albern aufgerissene Maul! Das langsame Panzerschlagen! Der insgesamt völlig lächerliche Anblick, wenn es mühsam um sein Gleichgewicht ringt und unbeholfen versucht, sich auf der Partnerin zu halten, die währenddessen vollkommen unbeteiligt ein paar Schritte weiter nach vorne stapft, während es mühsam versucht, auf seinen Hinterbeinen Schritt zu halten, ohne abzurutschen, und gleichzeitig wie blöde weitertockert und -stöhnt. Jetzt fängt das Weibchen an, stoisch und am Geschehen vollständig desinteressiert ein bisschen Gras zu fressen. Die Kinder gucken meine Frau und mich entsetzt an. Dann fragen sie: „Was gibt es denn zu essen hier?“

DIE FÜNFTAGEVORSCHAU | KOLUMNE@TAZ.DE

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Millionär

Dienstag

Sonja Vogel

German Angst

Mittwoch

Anja Maier

Zumutung

Donnerstag

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Unter Schmerzen

Freitag

Meike Laaff

Nullen und Einsen

Egal, immerhin wissen sie jetzt Bescheid. Nur die Sache mit dem Schlüssel-Schloss-Prinzip muss ich wohl noch mal erklären. Dachte ich, als ich aus dem Spielzimmer hörte, wie eine Klassenkameradin Kiran fragte, ob sie später heiraten wollen. Er antwortete, dann müssen sie vorher ausprobieren, ob sein Puller überhaupt in ihre Scheide passe, wegen der Dornen, daran erkenne man, ob ein Mann zu einer Frau passe. Das Mädchen wollte dann rasch nach Hause.